Wenn der Superintendent sein Jahresdienstgespräch hatte, kam der Präses zum Termin in den Kirchenkreis. Dafür reichte es nicht, dass die Sekretärin wie sonst auch belegte Brötchen oder Teilchen vom Bäcker auf dem vorhandenen Geschirr servierte. Statt dessen wurden zwei belegte Brötchen, eins mit Wurst, eins mit Käse, bei einem Caterer bestellt. Er brachte das Backwerk in Hälften geteilt und mit etwas Salat dekoriert auf einem silbernen Tablett. Eine Stunde später traf der Präses ein, wie üblich mit Chauffeur. Der wartete auf dem Parkplatz hinter der Superintendentur und bekam nicht mal einen Kaffee angeboten.
Ein paar Jahre später wurde Franziskus Papst und scherte sich erstmal gar nichts um den ganzen Firlefanz, der offenkundig auch mit hohen geistlichen Ämtern einhergeht. Er schlief weiter im Gästehaus Santa Marta statt im Apostolischen Palast und traf lieber Geflüchtete und Gefangene als Großkopferte aus Politik und Kirche. Nach einiger Zeit schwappte das Vorbild Franziskus‘ sogar auf die evangelische Kirche über. Landauf, landab wurde bekräftigt, wie sehr man gerade im Protestantismus die Tugenden der Bescheidenheit und Barmherzigkeit pflegte und dem Papst daher nur beipflichten könnte. Für mich klang das eher, als wären da einige völlig unerwartet aus sichrem Schlaf geweckt worden. Ausgerechnet vom Vatikan.
Denn dass die evangelische Kirche mit dem Papstamt nichts anfangen kann, davon darf man weiterhin ausgehen. Abseits aller Theologie ist es auch einfach Irrsinn, Pfarrer der ganzen Welt zu sein. Wie soll man so ein Amt bewältigen? Nur während Corona erwies es sich als praktisch. Nämlich als Papst Franziskus den ganzen Erdkreis zum gemeinsamen Abendgebet einladen konnte, ohne erst internationale Gremien bemühen zu müssen. Wir beteten damals zu mehreren vor dem Fernseher mit und schrieben dazu auf Twitter. Da hat einmal alles gepasst, das schlichte Gebet und die weltweite Größe. Das zusammenzubringen, war die Gabe von Franziskus.
Trotzdem war er kein Progressiver. Mit Frauenordination und demokratisch verfasster Kirche brauchte man ihm nicht zu kommen und seine Initiativen hielten kaum ein, was sich viele von ihnen versprachen. Aber das mögen die Katholik:innen unter sich ausmachen. Zum Wunsch nach mehr Reformen auf dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland sagte er: „Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen.“ Wo Benedikt XVI. höchstens von „kirchlichen Gemeinschaften“ schwadronierte und Differenzen exegetisch bis an die reformatorischen Quellen zurückführen konnte, war Franziskus pointierter unterwegs. Es hörte sich an wie ein Kompliment.
Dass die Pfründe gar nicht so selbstverständlich sind, auf die man einen Anspruch zu haben meint, nicht auf der eigenen Hühnerleiter und schon gar nicht im Angesicht der Armen — daran hat dieser Papst erinnert. Und dann einfach mal machen, lieber diakonisch als bürokratisch. So ungefähr. Schwer erkrankt spendete Franziskus am Ostersonntag noch den Segen „Urbi et orbi“ und starb am Ostermontag. Es klingt nach einem guten Tod: „O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.“
Aus katholischer Perspektive blickt Benedikt Heider im Podcast „Aufgekreuzt“ auf das Pontifikat von Franziskus zurück.
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