Nur Pastorin

Laufband, halb auf dem Asphalt und halb auf der Wiese. Ein Zettel mit Hinweis zum Mitnehmen und ein paar Stichpunkten zum Gebrauch klebt auf der Mitte des Bandes. An der Kopfseite habe ich einen Gefrierbeutel mit Paketband festgeklebt. Darin die Fernbedienung, das Stromkabel und der Sicherheitsschalter.

Gestern Mittag holte ich ein Paket beim Nachbarn ab. DHL hatte es dort abgegeben, obwohl ich in der App vermerkt hatte, Lieferungen nur an mich zuzustellen. Danach fuhr ich schwimmen. Das hatte am Wochenende nicht geklappt, weil am Schwimmbad ein Rohrbruch war. Als ich zurückkam, stand der Amazon-Transporter noch vor der Tür, zusammen mit der Polizei und weiteren Leuten. Der Fahrer hatte auf dem Parkplatz einen der Parkbügel umgenietet. Das wiederum war deswegen von Vorteil, weil er das Buch, das ich bestellt hatte, so fest in den Briefkasten gestopft hatte, dass ich es nicht mehr herausbekam. Also bat ich ihn, es herausziehen, wobei er Verpackung und Buch ebenfalls beschädigte.

In den letzten Wochen vertrat ich meine beiden Kollegen aus der gemeindlichen Nachbarschaft, deren einer sich immer fröhlich verabschiedet, weil es in seiner Gemeinde nur selten Beerdigungen gibt. Von Ostern bis zu den Sommerferien keine einzige und danach wohl auch nicht. Die anderen vier, damit während des Jahres überhaupt etwas in die Statistik kommt, sind bei mir angelandet. Eine habe ich an den Springer abgegeben und dafür noch eine in der eigenen Gemeinde übernommen.

Auf einem der Friedhöfe stand neben dem offenen Grab ein weiteres, halb angefangenes und der Bagger direkt daneben. Die Bestatterin bat um Entschuldigung: Der Bagger war beim Ausheben kaputt gegangen und konnte nicht mehr weggefahren werden. Mehrere Besuchsanfragen. Außerdem Chaos an verschiedenen Stellen, vor allem da, wo man meint, besonders kompetent zu sein. Wo die Selbsteinschätzung realistischer war, ließen sich die Dinge vergleichsweise geräuschlos regeln. Wie immer.

Waldkirche (Kirche im Wald Open Air): Vorne ein Altar mit Holzkreuz, daneben eine Kanzel. Sie und der Altar sind aus Bruchsteinen. Davor Bänke ohne Lehne aus Holz mit in den Boden eingelassenen Betonfüßen. Das Ganze auf leichter Schräge, im Hintergrund Laubwald und überall Regen.

Trotz der Gemengelage versuchte ich, mich abzulenken, etwas Schönes zu machen. Ich hielt mir einen ganzen Tag und eventuell einen weiteren für die Plakataktion im Kommunalwahlkampf frei. Die Termine wären dringlich, hieß es. Die Plakate kamen jedoch verspätet aus der Druckerei, was aber nur dem Inner Circle auf WhatsApp mitgeteilt wurde. Rundmail gabs keine, sodass ich einsatzbereit, aber vergeblich vor verschlossenen Türen stand. Danach hatte ich keine Lust mehr und als ich mit Beleidigtsein fertig war, musste ich wieder auf den Friedhof.

Blieb noch der überregionale Waldgottesdienst, auf den ich mich so gefreut hatte. Unsere Posaunen spielen dort jeden Sommer. Ich bot an, dieses Jahr mitzugehen, sodass wir den Gemeindegottesdienst des betreffenden Sonntags komplett in den Wald verlegten. Als es so weit war, goss es in Strömen, der Gottesdienst fiel ins Wasser. Wie im Ablaufplan vorgesehen, fuhr ich trotzdem hin, um persönlich abzusagen, falls doch jemand kommen sollte. Aber außer dem Wald, dem Regen und mir war niemand da. Fast der ganze Juli ein verhangenes, düsteres Grau.

Irgendwann ertrug ich es nicht mehr. Ich brauchte Platz. Also mistete ich ein paar Sachen aus, die schon länger auf meiner Liste standen. Mit dem Laufband konnte ich mich einfach nicht anfreunden. Ich stellte es an den Weg neben dem Haus, wo es nach 18 Minuten mitgenommen wurde. Ich hörte, wie es jemand über den Asphalt rollte. Ein paar andere Sachen warf ich gänzlich weg. Dann sortierte ich meine Prioritäten neu. Was ich mir für die Sommerferien vorgenommen hatte, konnte ich mir ja nun abschminken. So hatte ich das Alles nicht geplant.

Schließlich rief ich Frau K. an und klagte ihr mein Leid. „Was ist nur mit den Menschen?“ Fragte ich. „Das ist jeden Sommer so, wusstest du das nicht?“ Antwortete meine Tochter. „Sei froh, dass du nur Pastorin bist und nicht in der Pflege arbeitest.“

Nur Pastorin.


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