Was bisher geschah

Mein Bruder Olaf ist letzte Woche gestorben, er wurde 50 Jahre alt. Es traf mich nicht unerwartet, doch hatte ich nicht so bald damit gerechnet. Sein Tod setzt einen Schlusspunkt hinter eine Tragödie, an der meine Herkunftsfamilie unablässig wob und deren Fäden bis ins Heute hineinragen.

Scan aus meinem Poesiealbum mit dem Eintrag meines Bruders samt Katzen-Glanzbild: "Sei brav wie ein Engel, dann hat man Dich lieb und denk an den Bengel, der Dir das schrieb. Zum Andenken an Deinen Bruder Olaf. Plettenberg, den 23.12.1981"

Wir werden Olaf im Juni beerdigen, unsere Eltern sind ihm bereits vor Jahren vorangegangen. Sie alle haben ihren Frieden gefunden. Für mich und die Generation nach uns wünsche ich mir das bereits zu Lebzeiten auch.

In meinem Bad und in der Küche stehen Trocknungsgeräte. Letzten Monat war der Badewannenabfluss in der Wohnung über mir kaputt gegangen, was einen größeren Wasserschaden verursachte. Ich wohne in einem Haus von Vonovia. Soweit es um die üblichen bis mittleren Probleme geht, die man in einer Mietwohnung haben kann, ist deren Service überdurchschnittlich gut. Bei den komplizierteren Sachen ist sie jedoch genau so unwillig oder halbherzig wie ich das nahezu von allen Vermietern kenne, mit denen ich bisher zu tun hatte. Das betrifft sowohl die Querelen mit einer Bewohnerin hier im Haus als auch den Wasserschaden, dem schon mehrere kleinere Lecks vorausgegangen waren, ohne dass die Ursache einmal grundlegend behoben worden wäre. Es wird sich zeigen, wie es diesesmal weitergeht. Die gesellschaftseigenen Handwerker sind wie üblich sehr freundlich und hilfsbereit und die modernen Trocknungsgeräte bei weitem nicht mehr so laut, wie ich das von früher in Erinnerung hatte. Einen Hängeschrank in der Küche hat mich das Wasser gekostet, aber den kann ich verschmerzen.

Trocknungsgerät mit zugehöriger Steckdosenleiste und Ventilator in der Küche.

Am ersten Maiwochenende haben wir in der Gemeinde, in der ich gerade bin, Konfirmation gefeiert. Ich stellte den Festgottesdienst unter das Motto „Gib deinen Senf dazu“ (Mt 13,3-8+31-32). Für jeden, der zum Gottesdienst kam, gab es ein gelbes Liedblatt und ein Tütchen Senf, wie man es sonst zur Bockwurst kriegt. Die Konfis erhielten davon gleich ein ganzes Töpfchen, zusammen mit dem obligatorischen Umhängekreuz. Ich hingegen bekam von ihnen bei der Probe Ende April einen riesigen Strauß Tulpen und eine Dankeskarte, was mich sehr rührte.

Posaunenchor, Orgel und CVJM mit Band und Anspiel haben den Gottesdienst mitgestaltet. Das hat super geklappt, doch ich lernte erneut, wie fern den Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Traditionen mittlerweile sind. Die Band hatte sich vor der Abendmahlsliturgie in die Reihe gesetzt, weil ihr nicht klar war, dass das Sanctus kein Lied ist, das irgendwann während der Eucharistie gespielt wird, sondern ein liturgischer Gesang ziemlich zu Anfang. Ich bemühe mich, darauf zu achten, was den anderen Mitgestalter:innen im Gottesdienst unklar sein könnte, aber ich kann nicht auf alle Ideen kommen. Das habe ich in der letzten Zeit öfter gedacht, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen.

Einige Senftöpfe und -tütchen, Liedblätter und Umhängekettchen wie im Text beschrieben fürs Foto dekorativ zurechtgelegt.

Kürzlich hatte ich seit längerem wieder eine Beerdigung mit dem Organisten der Nachbargemeinde, wo das Klavier meines seligen Vaters steht. Ich freute mich über den gemeinsamen Dienst, auch weil sich gut arbeiten lässt, wenn man aufeinander eingespielt ist. Während meiner Ansprache saß der Organist auf der Empore auf einem Klappstuhl, doch als ich das Wort „Trost“ aussprach, stand er auf und ging zur Orgelbank zurück. Ich musste innerlich über mich selbst grinsen. Zwar schreibe ich jede Ansprache jedesmal neu, trotzdem habe ich meine Routinen oder vielleicht Marotten, wie eben die Trostworte am Schluss. Bei denen fühlte ich mich dieses Mal wie ertappt und dachte sofort an Heinz Schenk.

Gestorben ist auch Harry Belafonte. Ich kannte und mochte seine Lieder von klein auf. Er war mein Held beim Marsch auf Washington, obwohl er dort gar nicht aufgetreten ist. Aber er war als Freund Martin Luther Kings dabei und das zählte. Als 13jährige deklinierte ich an ihm den Sinn oder Unsinn von Rassismus durch und kam zu der Entscheidung, dass Rassismus absoluter Quatsch ist. So wurde Martin Luther King zum Vorbild meiner Jugend und Belafonte zu einem meiner Lieblingssänger.

Großer Blumenstrauß mit roten Tulpen und viel Grün, davor eine Klappkarte, auf der in großen Lettern "Danke" steht.

Außerdem wurde König Charles III. gekrönt. Dessen Krönungsgebet hatte ich in der Predigt zum Sonntag Rogate aufgreifen wollen. Aber dazu kam es nicht. Statt auf die Kanzel schickte mich die Lektorin zum Notdienst, dabei hatte ich den Talar schon an und protestierte entsprechend. Doch durch die Todesnachricht am Donnerstag war auf einmal alles zu viel.

Die Lektorin übernahm den Gottesdienst kurzerhand selbst und die Gemeinde führte, moderiert von meinem Kollegen, der als Gottesdienstbesucher da war, ein Predigtgespräch. Zum Kirchcafé war ich wieder zurück, bekam ein Ständchen zu meinem Geburtstag, der war am Vortag nämlich auch noch, dazu viele Umarmungen und ein Stückchen Rhabarberkuchen, um ein wenig zu Kräften zu kommen. Der Hausarzt nahm am Dienstag Blut ab und verordnete mir erstmal eine Pause. Da die Dinge seit Jahren ihren Lauf nahmen, hatte ich nicht damit gerechnet, wie sehr sie mich noch mitnehmen würden. Ich bin so traurig.