Kopfsachen

Das iPad auf meinem Balkontisch, im Hintergrund ein großer, rosa blühender Strauch. Auf dem iPad die Kacheln der Hörbücher von Merkel, Plass und Rowohlt sowie des eBooks von Martenstein. Auf der Tastatur die drei Dylan-CDs. Zu den Filmen gibt es keine Bilder, aber ich habe unter den Titeln die Trailer verlinkt.

Als Frank McCourt von seiner Erstkommunion wieder daheim war, kotzte er vor lauter Aufregung die Eucharistie in den Hinterhof. Ich dachte Freitag Abend daran, als ich mich, von den Nebenwirkungen des neuen Medikaments geschüttelt, von Harry Rowohlt selig mit einer seiner Bühnenlesungen in den Schlaf labern ließ. Ich hatte die Mahnwache eher verlassen und es gerade den halben Kilometer von der Synagoge bis zu der Bordsteinkante geschafft, an der mein Auto stand. Dass Rowohlt McCourts „Die Asche meiner Mutter“ aus dem Englischen übersetzt hatte, fiel mir kurz vor dem Einschlafen außerdem noch ein. Was einem alles so durch den Kopf gehen kann.

Von Harry Rowohlt, der am 27. März 80 Jahre alt geworden wäre, kaufte ich mir kürzlich die Livemitschnitte des „Paganini der Abschweifung“ und „Rumba, Rumba, Rumba ist modern“. Herrlich bärbeißiger Rowohlt, urkomisch, facettenreich. Das Eine oder Andere würde man vielleicht heute so nicht mehr sagen. Sei’s drum.

Das dachte ich streckenweise auch, als ich Markus Maria Profitlich zuhörte, wie er das „Tagebuch eines frommen Chaoten“ von Adrian Plass las. Die heutige Gemeindejugend weiß nichts mehr damit anzufangen, während wir älteren ganze Passagen daraus auswendig zitieren können. Der überdrehte Sound, mit dem Profitlich verschiedene Frauen- und auch manche Männerstimme intonierte, war mir allerdings ein bisschen zu viel und wie ich fand, nicht immer gut gealtert. Am Tagebuch selbst lag das aber nicht.

Noch im letzten Jahr nahm ich mir Angela Merkels Autobiographie „Freiheit. Erinnerungen 1954-2021“ als Hörbuch vor. Merkel wurde vorgeworfen, sich darin nicht zu etwaigen Fehlern erklärt zu haben. Warum auch? Sie muss sich im Nachhinein nicht rechtfertigen. Dahingestellt, ob alles immer gelungen war, die reine Aufzählung der ganzen Themen, Länder, Politikfelder, Sitzungen ist schon irre und ringt mir tiefen Respekt ab. Trotzdem musste ich an kirchliche Gremien und Presbyterien denken: Alles ausreichend überlegt, demokratisch und verantwortungsbewusst, aber vielfach nicht zukunftsweisend. Und dann wundert man sich.

Ulf Poschardt versuchte sich an einem Essay über das „Shitbürgertum“, also über das woke Establishment. Das hätte ein schönes Büchlein werden können, wenn er es vor der Veröffentlichung einem guten Lektorat anvertraut hätte. Hat er aber nicht und ist für solche Schnellschüsse mittlerweile auch zu alt. Das Hickhack um den Eigenverlag und das eBook sind sichtbare Folgen dessen. Ich habe das Buch angefangen, aber nicht zu Ende gelesen. Es ist nicht meine Aufgabe, grammatikalischen und gedanklichen Unsinn beim Lesen vom Kopf auf die Füße zu stellen, nur weil der Autor nicht abwarten konnte. Deswegen gibt es auch kein Bild.

Lieber halte ich mich an Harald Martenstein, „Es wird Nacht, Señorita“. Das dritte Buch mit seinen Kolumnen und einem Lied von Udo Jürgens im Titel. Mit Martenstein sind auch nicht alle einverstanden, aber die Bücher sind handwerklich einwandfrei. Ich lese ihn jedenfalls gern, auch wenn ich nicht immer seiner Meinung bin.

Dann habe ich mir noch „Golda – Israels eiserne Lady“ angeguckt. An die Details erinnere ich mich nicht mehr, aber wie Helen Mirren die israelische Premierministerin Golda Meir gespielt hat, ist beeindruckend.

Gleiches gilt für Timothée Chalamet als junger Bob Dylan: „Like a complete Unknown“. Edward Norton als Pete Seeger ist in dem Film ebenfalls großartig. Norton war auch der katholische Priester in „Glauben ist alles!“, der mit einem Rabbiner (Ben Stiller) befreundet war. Als ich Dylan in dem Biopic sah, seine unbekümmerte Jungenhaftigkeit, wurde mir noch einmal klar, wie herausragend die ganzen Lieder sind, die er komponiert und getextet hat, gerade im Verhältnis zu seiner Jugend. In dem Film wurde das natürlich auf gut zwei Stunden verdichtet. Das Rolling Stone Magazine listete auf, welche Fehler Kunstgriffe dabei gemacht wurden, wobei Dylan das Drehbuch vorher abgesegnet hat. Auch der Soundtrack mit den Gesängen von Chalamet, Monica Barbaro (als Joan Baez) und Norton ist im Handel erhältlich. Wo ich einmal dabei war, bestellte ich mir außerdem die neusten Coveraufnahmen von Joan Osborne und Lucinda Williams. Ich habe ja noch einen CD-Player im Auto, da höre ich mir das Alles an.


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