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Wo es in der digitalen Kirche dienstlich und/oder „contentkreativ“ zugeht, hat man sich in den letzten Jahren unausgesprochen auf Instagram als hauptsächliche Social-Media-Drehscheibe geeinigt. Dienstlich werden dort kurze Nachrichten und Veranstaltungsankündigungen auf einer Art Website light veröffentlicht. In der Content Creation gibt man sich erbaulicher und vermeintlich nahbarer, wozu auch gern der wiederkehrende Schlusssatz gehört: „Schreibt mal in die Kommentare, wie ihr das findet.“ Wie billig kann man kaufen. Hinzu kommt, dass Instagram seine Startseite auf dem iPad im Stil von TikTok umgestaltet hat: Dort sieht man jetzt nur noch Reels, darüber weiterhin die Storys im Header. Unbewegte Pics finden sich nur noch auf der zweiten Seite, die dafür gezielt angeklickt werden muss. Das Tablet ist vermutlich der Einstieg zum Testen. Auf dem Smartphone rollen sie das bestimmt bald ebenfalls aus.

Als Frau K. vor 13 Jahren in ihre erste eigene Wohnung zog, machte ich im Haushalt drei Monate lang gar nichts. Ich sah zu, wie sich das Geschirr stapelte und sich das helle Laminat aschgrau färbte. Derweil ernährte ich mich durchgehend von Fast Food. Das ging damals noch, ohne auf der Waage eine Katastrophe auszulösen. Nach einem Vierteljahr wurde es trotzdem Zeit, wieder vernünftig zu werden. Das gelang mir über Instagram. Statt zu planen, was ich für Frau K. und unseren Alltag kochen würde, ergab es sich, dass ich anfing zu überlegen, welche Mahlzeit ich auf einem Foto hübsch in Szene setzen könnte. Durch diesen Umweg fand ich im empty nest zur Freude am Kochen zurück. Dabei genügten mir weiterhin klassische Hausmannskost und Fotos ohne trickreiche Raffinessen. Aber auch das möchte mit Liebe gestaltet werden. Für Seite 2 bin ich mir darum zu schade und auf Reels habe ich zumindest aktuell keine Lust. Oder um es deutlicher zu sagen: Leg dich gehackt, Instagram!

Überhaupt geht mir dieses ganze Zuckerberg-Imperium auf den Sender. Auf Facebook bin ich privat nur noch selten. Threads wirkt in meinem Umfeld, als wäre es gar nicht da. WhatsApp habe ich immer noch nicht, diese offene Hose privater und dienstlicher Kommunikation, die niemals Ruhe gibt. Und jetzt skippe ich erstmal Instagram. Wobei ich durchaus anerkenne, dass dort die Konkurrenz von Snapchat damals und TikTok heute geschickt auf die Hörner genommen wurde.

Nur wird mein eigener digitaler Kosmos seit den letzten Jahren immer enger. Auf der einen Seite verscherbeln Elon Musk und Mark Zuckerberg meine kleine Welt und auf der anderen Seite baut die nachwachsende Generation ihre audiovisuelle Rappelkiste. Die ganzen Paywalls kommen erschwerend hinzu. Mein Internet war das, in dem in erster Linie geschrieben und gelesen wurde, danke cgX13. Auch dass sich die verschiedenen Generationen untereinander vernetzten und austauschten, gehörte dazu. Ebenso wie Inklusion, denn das Web war gerade für Menschen mit Behinderungen und Divergenzen eine Möglichkeit, unbefangener einzusteigen. Statt dessen ist heute häufig schon eine kurze Bildbeschreibung zu viel, selbst in frommen Kreisen.

Derweil kackt X weiter ab. Pardon my french. Das führt dazu, dass die gemäßigte Politik dort ebenfalls immer weiter verschwindet und sich sogar Hardliner zurückziehen. Ich merke es daran, dass in meinen Timelines wieder überwiegend Privatgespräche geführt werden; allerdings von Leuten, die ich in den meisten Fällen gar nicht kenne. Die Diskussion der politischen Richtungen im Social Web ist jedenfalls dahin. Kein Ort, nirgends.

Wenigstens gibt es auf Bluesky und Mastodon nichts Neues. Das gilt ja mittlerweile schon fast als gute Nachricht. Was mit Podcasts und Blogs, Twitch und Discord ist, sollte ich mir vielleicht auch einmal ansehen. Aber das mache ich frühstens, wenn ich mich wieder abgeregt habe.

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