Wirklich zur Ruhe kommt man ja seit Elon Musks Übernahme von Twitter nicht. Dabei hat sich aus Usersicht bisher eigentlich nichts geändert, außer dass die 2FA zwischendurch mal nicht funktioniert hat. Man könnte die Dinge also einfach abwarten, was allerdings schwerfällt, wenn sich der Big Boss aufführt, wie er sich eben aufführt.

Ich persönlich war anfänglich sogar recht entspannt und bin es in gewisser Weise noch (siehe weiter unten):
Offenkundig ist eine personelle und inhaltliche Umstrukturierung von Twitter nötig und dass Abteilungen aufgelöst werden, kann auch bedeuten, dass man deren Aufgaben an anderer Stelle besser unterbringen kann.
Ein Pay-System hätte ich, verbunden mit einem guten Angebot, in Ordnung gefunden. Ich habe nicht vergessen, dass wir das Thema vor ein paar Jahren schon einmal hatten, als die regelmäßige Werbung kam. Damals gab es in meiner Szene einen großen Konsens, lieber zu bezahlen, als sich Reklame anzugucken und weiter ohne Korrekturfunktion auszukommen. Diejenigen, die sich das nicht leisten könnten, hätten wir mitgenommen.
Auch Abfindungs- und Kündigungsfristen scheinen für us-amerikanische Verhältnisse größer bemessen zu sein. Und obwohl ich ein großer Fan des Homeoffices bin, kann ich nur schlecht von dem alten Brauch lassen, dass wer bezahlt, auch entscheidet, wo gearbeitet wird; vernünftige vertragliche Regelungen inklusive.
Was aber gar nicht geht, ist der fehlende Respekt gegenüber der Belegschaft und den Kund:innen. Von einem Unternehmer erwarte ich, dass er immer den Betrieb als Ganzen im Blick hat: Die Leute, die drinnen oder draußen etwas von ihm wollen und er von ihnen und die Verantwortung, die das nach sich zieht. Wir sind hier nicht in der Mathestunde, an diesen betrieblichen Geld- und Zahlenspielen hängen Menschen. Das so zu missachten, macht mich sowohl in meiner Wirtschaftsfreundlichkeit als auch als Kundin fuchsteufelswild. Dass Change immer schwer ist, muss ein Ansporn statt eine Ausrede sein. Taubenschach ist kein Konzept.
Das erste Mal wurde ich hellhörig, als Frau KircheHeide schrieb, dass Elon Musk keine Ahnung davon hätte, wie ein soziales Netzwerk funktionierte und es darum schwierig werden würde. Kurz drauf ging Frau Kaltmamsell ebenfalls in diese Richtung, mit einem Unterschied: Sie glaubte nicht, dass Musk keine Ahnung von Twitter als sozialem Netzwerk hätte, sondern dass es ihm schlichtweg egal wäre. Ich finde bei beiden den ursprünglichen Post nicht mehr, betrachte aber die Ursachenforschung seit dem als abgeschlossen, mal in diese, mal in jene Richtung.
Ich gehöre zur älteren Generation der Social Media, die sich hauptsächlich um die Trias aus Twitter, Blog und Instagram sortiert. Trotzdem hatte ich mir bereits vor über vier Jahren, am 18. August 2018, einen Mastodon-Account zugelegt. Das Datum notiere ich hier zu Dokumentationszwecken, denn meine Instanz, die wohl schon länger nicht mehr regelmäßig gewartet wurde, ist unter dem Ansturm der Twitter-Expats abgeraucht. So zog ich kürzlich und umständehalber per Hand nach nrw.social um.
Das regionale Umfeld dort entpuppt sich als unerwarteter Gewinn. Zum ersten Mal habe ich wissentlich mehrere Follower aus der Stadt, in der ich wohne. Auch auf dieser Instanz hakt es durch den akuten Run ab und zu, aber sobald der Schaden behoben ist, meldet sich der Chef persönlich, um sich zu entschuldigen und zu erläutern, woran es gelegen hat.
Mittlerweile sind über dreiviertel meiner Bubble auf Mastodon. Die Atmosphäre ist freundlich, es herrscht Aufbruchstimmung. „Da, wieder einer, der es rüber geschafft hat.“ Diese warmherzige Betulichkeit ist es, die die Chance, aber auch mein Leiden an Mastodon ausmacht. Mich hat es schon immer mehr an Facebook als an irgendetwas Anderes erinnert. Entsprechend verhalte ich mich dort, was meiner Harmoniesucht gut tut, aber dem spritzigen, ironischen, politischen Teil meiner selbst eher nicht. Auf Twitter konnte ich diese Facetten gleichermaßen zeigen und würde mir das weiter wünschen. Die unwidersprochene Linkslastigkeit von Mastodon ist ebenfalls mühsam.
Jedenfalls finde ich bisher nicht, dass ich mich für das Eine oder Andere entscheiden müsste, so wie manche es tun. Wir sind in den Jahren immer mal wieder zwischen den Tools hin- und hermäandert und es hat sich jedes Mal geruckelt. Entspannung zweiter Teil (siehe weiter oben), zumindest fast: Wir müssen die marginalisierten Gruppen im Blick behalten, die auf die internationale und schrankenlose Reichweite von Twitter angewiesen sind. Recherchefunktion, journalistische und politische Reichweite, hohes Tempo in der Not – diese Dinge. Wieder andere generieren auf Twitter einen Großteil ihres Kundenstammes. Man darf sich das mit den sozialen Netzwerken auch nicht zu einfach machen.
Überschrift von Johanna.