Zurück auf Los

Behandlunsgzimmer bei der Zahnärztin: Blick auf den Wasserbecher, das Spuckbecken, die Geräte und ein Stückchen vom Zahnarztsessel. Im Hintergrund eine Palme. Alles, wie man es kennt, bis auf zwei Besonderheiten: Der Plastikbecher und die Dinger, aus denen die Luft zum Pusten kommt, sind lavendelfarbenen. Und zweitens ist das Spuckbecken aus nahezu durchsichtigem Glas.

Da mich die Darmgeschichte länger beschäftigt als gedacht, bin ich seit gut dreieinhalb Jahren nicht dazu gekommen, zum Zahnarzt zu fahren. Die Klinik für Menschen mit Zahnbehandlungsangst liegt nämlich in Bochum. Mit allen Warte-, Behandlungs- und Zugverspätungszeiten ist da bei jedem Besuch ein ganzer Tag weg. Darum suchte ich mir hier eine Praxis mit den Schwerpunkten Angst und Endos, weil das für mich am besten passt. Ich fand eine Ärztin, die sogar an der Uni Witten-Herdecke studiert hat.

Als ich am Donnerstag hinkam, lief es sofort richtig gut. Die Praxis stank nicht nach Zahnarzt; ich konnte weinen, ohne mir dumme Sprüche anhören zu müssen („Aber unsere Frau Doktor ist doch so nett…“) und Jackpot: Ich wurde gefragt, ob ich im Behandlungszimmer auf die Zahnärztin warten kann oder lieber draußen bleiben möchte, bis sie kommt. Und wenn draußen, ob im Wartezimmer oder alleine in der Nähe des Tresens (alleine, Tresen). Während des Anamnese-Gesprächs kam schließlich heraus, dass die Ärztin beim Gründer der Zahnklinik gelernt hat. Sie machte die Kontrolluntersuchung und ein Röntgenbild, es war alles OK. Im Januar habe ich einen Termin zur Prophylaxe und wenn ich möchte, kann ich jederzeit in die Zahnklinik zurück. Besser hätte es nicht laufen können. Ich war trotzdem fix und fertig und habe zu Hause erstmal eine Stunde geschlafen und den halben Nachmittag weitergeweint. Dabei bin ich in mehreren Hinsichten heilfroh.

Der Besuch bei der Zahnärztin war der letzte Punkt auf einer langen Liste: Einen neuen Steuerberater finden, Klamotten und Schuhe für Herbst und Winter kaufen, die alten sind aufgetragen; Albe und Talar reinigen und ausbessern lassen, Beihilfe fertig machen, mich um einen Stellplatz für den DeLorean kümmern. Ich muss nächste Woche den Talar von der Schneiderin abholen, der Hausarzt schickt noch zwei Rechnungen und ein Besuch im Collar-Atelier steht aus, aber als Belohnung, nicht als Pflicht. Ansonsten ist alles erledigt. Ich bin wieder „Zurück auf Los“, vorwärts bewegt fertig mit allem, was in den letzten Jahren liegen geblieben ist. Der Termin in zwei Wochen bei der Optikerin und zwei weitere Arztbesuche für dieses Jahr gehören bereits zur nächsten Runde im regulären Rhythmus.

Sechs meiner Pfeile mit lila und pinken Federn in einer Köchertasche aus schwarzem Leder, die hinten in die Hosentasche passt. Die Pfeile lehnen an meinem Bogen, der wiederum mit der Sehne nach unten auf einem Bogenständer ruht. Das Ganze steht hinter einer weißen Linie auf dem Boden.

Normalerweise mache ich diese Sachen hier und da im Laufe des Jahres. Erst als sie sich stapelten, sah ich, wieviel das eigentlich war. Überhaupt habe ich unterschätzt, wieviel Zeit und Kraft diese Darmgeschichte kostet. Durch Urlaub und Kontaktstudium bin ich seit etwas mehr als sechs Wochen raus und komme erst jetzt langsam runter. Das erste Mal stutzig wurde ich im September, als der #DiätKater am Anfang meines Frei schlagartig aufhörte, täglich zu brechen. Es lag also offenkundig nicht am nachgewachsenen Fell, sondern an seinem Feingefühl. Ich werde mir in diesem Winter insgesamt mehr Zeit nehmen müssen.

Umso günstiger fügt es sich, dass ich wohl eine Lösung für das Bogenschießen gefunden habe. Nach der Langzeitfortbildung bin ich die letzten Jahre immer alleine auf dem Parcours herumgeschlichen. Zuletzt machte das keinen Spaß mehr, vor allem weil ich überhaupt nicht mehr weiterkam. Zwar hatte ich schon länger die Kontaktdaten von zwei Bogensportvereinen auf dem Schreibtisch liegen, aber der gesundheitliche Heckmeck einerseits und meine Anfragen an Vereinssport andererseits ließen mich zögern. Doch jetzt, während des Kontaktstudiums, probierte ich den näher gelegenen Verein aus, schon um wenigstens ab und zu unter Leute zu kommen. Tatsächlich lässt es sich gut an. Training ist drei Mal die Woche, genau an den Tagen, an denen es für mich am besten passt. Ich merke, wieviel ich in den letzten Jahren versäumt habe, sehe aber auch, dass ich mich im Verhältnis dazu gar nicht so schlecht anstelle. Regelmäßiges Training unter Leuten, im Winter auf 18 m, ist für mich ideal. Geschossen wird mit Blankbögen (lang und Recurve), olympisch und Compound, also eine bunte Mischung. Eigentlich wollte ich morgen in den Verein eintreten, wenn ich den dritten Trainingsort (eine von zwei Turnhallen, dazu eine Schießhalle) gesehen habe. Aber wegen einer anderen Veranstaltung fällt der Termin aus. Dann eben nächste Woche. Es wird sich finden.


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