
Lange habe ich nichts mehr für meine Rubrik „Unleserlich“ geschrieben. Dort rezensiere ich Bücher, die mir nicht gefielen, ohne Autor oder Titel zu nennen. Nach fast drei Jahren Pause habe ich drei Stück zum Abhaken dabei:
Das Erste lud ich als Hörbuch herunter. Dass ich es abspielte, ist schon ein Weilchen her.
Der Autor setzte sich aus konservativer Sicht mit Sprachkritik und politischer Analyse auseinander. In elegantem Stil, gut geschrieben, schön anzuhören, aber inhaltlich völlig ins Kleinklein verstiegen. Da wurden alltägliche, gesprochene Worte nach den Maßstäben eines Romanciers seziert und gängige Sprachmuster zu Geplapper erklärt.
Mit Argumenten ist es wie mit einer Schraube. Wenn man sie zu fest zieht, dreht sie irgendwann hohl und erfüllt ihren Zweck nicht mehr. Statt dessen kommen nur noch Sägespäne. Was für ein Nörgelpoet!
Das nächste Buch gehörte ebenfalls zu den Politbüchern, dieses Mal von der linken Seite. Ich las es als eBook auf dem iPad mini. Das Buch gliederte sich in zwei Teile. Im ersten Teil gab es einen Überblick über all das, was in seinem Themenbereich nach meiner Erfahrung zur Allgemeinbildung gehört, kapitelweise wie für die Schule aufgeschrieben. Dazu kamen berechtigte Hinweise für den persönlichen Umgang oder die heutzutage recht radikalen Forderungen an das allgemeine Verhalten. Wenn man die Topoi kennt und in seinem Leben schon ein paar Bücher gelesen hat, war das zum Einschlafen!
Wobei es zum Verdienst der Autorin zählt, diese Dinge aufbereitet zu haben. Allerdings habe ich mich nicht nur bei ihr, sondern schon in anderen Zusammenhängen gefragt, wo eigentlich das Wissen und die Lösungsvorschläge versandet sind, die die Älteren bereits zusammengetragen hatten.
Die jüngeren Generationen scheinen zu glauben, es hätte noch nie jemand über die Ungerechtigkeiten dieser Welt nachgedacht und sie müssten das Rad neu erfinden. Das Pioniergehabe, das auch in diesem Buch immer wieder hervorstach, nervte mich beim Lesen sehr.
Im zweiten Teil wurde es besser. Die Autorin schilderte auf berührende Weise die Verwobenheit, aus der die zwischenmenschlichen Gemengelage entstehen, gegen die sie sich wendet. Auch wenn die Richtung deutlich war, gab es nicht nur eine Antwort oder zwei und was eben noch wie ein schnurgerader Königsweg aussah, wurde zum Dschungel. Das aufmalen zu können, um sich darin einen Weg zu bahnen, empfinde ich als die Kunst und den Anspruch systemischer bzw. struktureller Ansätze. Darin wäre dann für vieles Platz, für kollektive und individuelle Sichtweisen, neue und althergebrachte Erkenntnisse, weitere Systeme, Strukturanalysen und Ideen.
Nur absolut setzen darf man ein System nicht, denn wenn es eindimensional wird, ist es kein System mehr, sondern nur ein multiples Senderin-Empfängerin-Modell. Aus dem, was zuvor noch beachtenswert war, wird nun Larmoyanz und ein Wettkampf, bei dem die Lautesten gewinnen. Bei diesem Wettstreit möchte die Autorin offenbar noch ein bisschen mitmachen. Ich lieber nicht.
Die nächste Autorin hatte an diesen Ränkelspielen ebenfalls einiges auszusetzen: Sie litt die dazugehörigen Spielregeln nicht. Außerdem schien sie lieber selbst gewinnen zu wollen. So weit ich gekommen bin, war jedenfalls nichts Versöhnliches zu erkennen.
Insgesamt ging es ihr darum, auf der Basis philosophischen Hintergrundwissens die aktuellen linken Positionen und ihre Wirkungen zu kritisieren.
Die Autorin ist als TERF bekannt, aber ich bestellte das Buch trotzdem. Auch der Diskurs über Transsexualität ist zu vielschichtig und unausgegoren, als dass ich mich von solchen Etiketten abschrecken ließe.
Es fing relativ unspektakulär an. Die philosophischen Herleitungen gefielen mir, die kategorischen Resümees eher weniger. Bis ich beim Kapitel über Transsexualität ankam. Wieder fragte ich mich, wo eigentlich das Wissen der letzten Jahre gelandet ist oder wie man wahlweise dazu kommt, es komplett zu ignorieren. Man hätte nämlich nicht nur aus der Diskussion um Homo- und Bisexualität schon lange wissen können, dass „Stell dich nicht so an, das Leben ist, wie es ist!“ zu genau gar nichts taugt.
Ein Lehrer in der Schule erzählte uns einmal, wenn fast alle Schüler dasselbe Wort in einer Klausur falsch schrieben, dass er es irgendwann selbst nachschlagen müsste.
Tatsächlich fragte ich nach der Lektüre des betreffenden Kapitels bei einer trans Freundin nach, ob ich mich vielleicht begrifflich geirrt hätte und sie nicht doch ein trans Mann wäre? Nein, alles richtig gemacht, sie ist eine Frau, bei Bedarf auch eine trans Frau, aber kein trans Mann und ein Mann ohnehin nicht.
Sich zumindest Mühe zu geben, jemanden richtig zu bezeichnen, ist das Minimum an Respekt, das man einem Menschen entgegenbringen kann, auch wenn man sein Lebensmodell nicht versteht. Die Person in Ruhe zu lassen, ein weiteres. Aber wenn selbst das schon zu viel ist, kann das Buch auch weg.