
Ich fahre nur selten in die neue Innenstadt, die nach über zweieinhalb Jahren so neu gar nicht mehr ist. Ich bin trotzdem selten da, erst wegen Corona, dann weil mir das, was die Stadtteile drumherum und das Internet bieten, meistens ausreicht und nicht zuletzt weil es mir immer noch zu nah bei Hofe ist. Dort hatte ich vor meinem Urlaub ein Gespräch; anschließend sah ich mir einen Brillenladen an, den ich zuvor gegoogelt hatte. Auch live gefiel er mir gut. Die Optikerin und ich verblieben darum so, dass ich einen Termin machen würde, wenn ich Urlaub hätte. Dann wären auch die neuen Fassungen von der Brillenmesse da. Gestern war es endlich so weit.
Statt mit dem Bus vor meiner Haustür fuhr ich mit dem Auto zur Straßenbahnhaltestelle. Das hat sich mittlerweile so eingependelt, außerdem plante ich für den Rückweg noch einen größeren Schlenker. Nur wenig später war ich bereits in der Altstadt und nach einem kurzen Sprung in die Apotheke kam ich im Brillenladen (1) an. Dann ging es los: Beratung, Sehtest, noch mehr Beratung, Brillengestelle aufprobieren – zack. Ich entschied mich für eine sehr große und moderne Fassung als Gleitsichtbrille (2) und eine ebenfalls moderne, aber etwas gediegenere Variante (3), um zum ersten Mal eine Raum- statt Lesebrille zu versuchen, da ich mit der Gleitsichtbrille nur ziemlich eingeschränkt zurecht komme. Dass ich dieses Mal Lust auf etwas Ausgefalleneres hatte, war der Hauptgrund, warum ich mich von der Brillenkette mit F verabschiedete und mich bei einer Optikerin umsah. Das scheint gelungen zu sein, denn in etwa einer Woche kann ich die Brillen abholen und ich freue mich schon sehr darauf.
Die selbe Straße etwas weiter hinauf gab es eine Filiale von Blockhouse, das hatte ich ebenfalls gegoogelt. Nachdem ich bei der Optikerin fertig war, aß ich dort ein Filetsteak, Pommes und Salat (4). Der Teller, auf dem das Steak serviert wurde, war so glutheiß, dass ich mir an meinem ersten Bissen die Zunge verbrannte und die Kräuterbutter noch Minuten später anfing zu kochen, wenn ich nachlegte. Erst auf der Hälfte verstand ich, wie prima das eigentlich war. Ich nehme mein Steak nämlich immer englisch. Das führt oft genug dazu, dass es innen maximal lauwarm und außen auch nicht sonderlich heiß ist, geschweige denn kross, also eigentlich eher rare. Solche Steaks erfordern selbst von einer recht zügigen Esserin wie mir ein gewisses Tempo: Man muss sie verspeist haben, bevor sie sich endgültig in eine kalte Schuhsohle verwandeln. Das war hier anders. Das Steak war außen knusprig und heiß und innen wirklich englisch, also roh und leicht blutig, aber schon warm und es behielt eine angenehme Temperatur bis zum Schluss, ohne weiter durchzugaren. Das war toll!
Nach dem Essen holte ich mir beim Biobäcker gegenüber zwei Stückchen Apfel-Mohnkuchen und ging dann den Weg Richtung Straßenbahn wieder zurück.
Erst musste ich noch einmal in den Brillenladen, ich hatte vergessen, eine Information zu meiner Gleitsichtbrille anzugeben. Dann kehrte ich in ein Geschäft für portugiesische Keramik ein, wo ich mir von einem vollgestapelten Tisch (5) zwei Schalen aussuchte. Anschließend kaufte ich noch vier alltagstaugliche Shirts (6) und eine Strickjacke, dann fuhr ich mit der Straßenbahn wieder zum Auto zurück. Dessen Radio verfügt noch über einen klassischen CD-Player. Ich bestellte Bob Dylans neuste Bootlegs darum auch dieses Mal wieder als Best of auf Doppel-CD (statt der ganzen Session), um sie im Auto (7) zu hören.
Als nächstes steuerte ich meine Änderungsschneiderin an. Ich bin nämlich aus meiner Albe herausgewachsen, was schade ist, denn sie ist noch gut in Schuss. Andererseits habe ich sie im Vikariat geschenkt bekommen, da kann man nach 20 Jahren schon eine neue anschaffen. Schlank war eben gestern, ach ja.
Dieses Mal wird es eine aus evangelischer Hand, denn die Franziskanerinnen, die meine erste Albe angefertigt hatten, unterhalten keine Paramentenwerkstatt mehr. Die Schneiderin war sehr aufgeregt, als ich mit dem Maßblatt ankam, nach dem sie mich vermessen sollte. Ich zeigte ihr Bilder fertiger Alben von der Website der Werkstatt und ein Foto der beiden zur Wahl stehenden Stoffe (8). Ich entschied mich für den feineren, was sie unterstützte.
Wieder zu Hause packte ich aus, schnitt die Etiketten ab und wusch die neuen Klamotten. Dabei aß ich ein Stück vom mitgebrachten Kuchen. Ein weiteres war noch übrig, hier abgelichtet zusammen mit den beiden Keramikschalen (9).
Ich verreise allgemein im Urlaub nicht so häufig, versuche aber jedesmal, wenigstens ein oder zwei Ausflüge zu machen. Zugegeben war es in die Innenstadt weder spektakulär noch weit, aber durch zwei neuen Brillen und eine neue Albe durchaus mit einer größeren Reise vergleichbar.
Zum ersten Mal, seit ich letztes Jahr in Rom war, bin ich mit dem Hörgerät wieder mehrere Stunden unter vielen, rumwuselnden Menschen gewesen, in der Fußgängerzone, im Restaurant und einer großen U-Bahn-Haltestelle. Daran und an die Lautstärke muss ich mich erst wieder gewöhnen, das ist mir heute klargeworden, ohne dass mir das in Rom schon aufgegangen wäre. Als ich das Hörgerät bekam, waren wir noch mitten in Corona. War das Leben draußen früher wirklich genau so laut und anstrengend? Ich kann mich nicht mehr erinnern und haben will ich das möglichst auch nicht mehr. Aber so war es heute nun und dennoch schön. Nur die Kopfschmerzen, die mich morgens anfänglich plagten, hätten abends nicht wiederkehren müssen. Ich war aber auch ziemlich erledigt.
Die Bildbeschreibungen zur Collage finden sich im Text (1-9).
Das Foto mit den Stoffmustern (8) machte die Paramentenwerkstatt.