Uhura goes multireligiös

Vor meinem Urlaub fragte die katholische Gemeindereferentin an, ob wir uns vorstellen könnten, den ökumenischen Einschulungsgottesdienst nach den Sommerferien als multireligiöse Feier zu veranstalten. Dazu würde es einen Kennenlerntermin mit dem Imam geben und von da aus weiter. Wir beredeten das im Pfarrteam: Ja, grundsätzlich können wir uns das vorstellen, ja, gemäß landeskirchlicher Handreichung an einem „neutralen Ort“ (Turnhalle, Aula) und die Gebete hintereinander, statt miteinander.

Nach knapp fünf Jahren Leben und Arbeiten in einem sog. „sozialen Brennpunkt“ mit reichlich multireligiöser Erfahrung legte ich noch Wert auf Deutsch als durchgehende Sprache und dass wir Christinnen nicht unseren Standard zurückschrauben. Ich möchte nicht als gutmeinendes Vehikel dienen, wo unsere muslimischen Ansprechpartner ihre Hausaufgaben selbst machen müssen. So sprach ich und entschwand in den Urlaub. Die Kollegen würden den Termin wahrnehmen.

Bei meiner Rückkehr ging es direkt weiter. Gleich an meinem ersten Arbeitstag war der Folgetermin angesetzt: Vorbereitung der Einschulungsfeier – sehr zur Freude derer, die am Kennenlerntreffen teilgenommen hatten. Die katholische Gemeindereferentin, einer meiner Kollegen (jetzt mit mir) sowie der Imam und sein … Dolmetscher, der Türkischlehrer.

Sein Dolmetscher? Mir wuchs ein kleines Wuthörnchen, denn das war doch genau, was ich nicht wollte. Und so ging es dann auch weiter. Es fehlte auf muslimischer Seite an fast allem: Die Deutschkenntnisse des Türkischlehrers waren ordentlich, doch er ist kein Theologe, während der Imam wohl nur über wenig pädagogische Kenntnisse verfügt. Und es gibt kein Netzwerk, das die muslimischen Kollegen unterstützt, so wie wir es haben:

Gottesdienstmaterial mit Abläufen, Gebeten, Liedern, Mediotheken und Handreichungen, Vernetzungen zwischen Gemeinde, Kita, Grundschule (auch zwischen den Konfessionen), Schul- und Jugendreferate, Kirchenmusiker und Ehrenamtliche bei Bedarf, von der jahrzehntelangen Erfahrung ganz zu schweigen.

Trotzdem schmolz mein Hörnchen wie ein Eis in der Sonne. Denn so sehr es am Handwerkszeug mangelte, so groß war die Bereitschaft aller, Muslims und ChristInnen: Eine schöne Einschulungsfeier zu gestalten, sich verantwortlich für alle Kinder und Familien zu fühlen, zu Respekt und Lernbereitschaft, zum Kompromisse schließen, eine gemeinsame Sprache über die Vokabeln hinaus zu finden, kurz: Einen Anfang zu machen.

Ich kann nur hoffen, dass es etwas nützt. Dass sich die muslimische Seite ein paar Sachen abguckt. Dass die Übersetzungen der Gebete beim nächsten oder übernächsten Mal nicht im Programmheft stehen, sondern sofort Deutsch gesprochen wird. Dass der Imam seinen Gremien in der Moschee und in der Türkei sagt, was er zum Arbeiten braucht. Und dass seine organisatorischen Hinweise in der Moscheegemeinde ein paar Eltern oder Großeltern erwecken, demnächst mitzumachen; spätestens wenn sie das Ergebnis sehen.

Ich hatte nicht erwartet, dass wir so klein anfangen müssen. Pionierarbeit. Integrationsarbeit als das neue Mission. Da sind sie in den „Brennpunkten“ weiter. Mit der katholischen Kirche, bei der auch so einiges hängt (Handreichung und Ablaufvorschläge kamen von uns Evangelischen und immer die Frauenordination), bin ich da weniger barmherzig. Die Kirche als Gottesdienstraum fehlt mir. Aber von der Gefahr, dass multireligiöse Feiern das Christentum verwässern, sind wir zumindest hier weit entfernt. Davon, dass die Muslims ihre Einschulungsfeier alleine machen, allerdings auch.