Was bisher geschah

Ich hatte mir immer vorgenommen, wenn ich alt werde, gesprächsbereit gegenüber Jüngeren zu bleiben. Als ich jung erwachsen war, war das bei den Älteren häufig nicht so. Wobei es auch großartige Ausnahmen gab, an die ich mich bis heute erinnere. Doch die Meisten empfand ich als engstirnig und kaum zum Austausch bereit. Das würde ich später anders machen, so wie die erinnerten Vorbilder aus früherer Zeit. Ich würde zwar meine eigene Meinung haben, bestimmt auch mal daneben liegen, aber offen und zugwandt bleiben, damit es die jungen Leute ebenfalls sind. Aber was soll ich sagen? They don’t give a fuck, wie das heutzutage heißt.
Immerhin haben sie noch soviel Respekt, dass sie mich (wie in einem Fall) sicherheitshalber nahezu anschreien, wenn sie finden, dass ich falsch liege. Gleichzeitig bin ich ihnen aber schon so egal, dass sie meine Bestürzung darüber nicht mehr mitkriegen, weil sie sich bereits abgewandt haben.
In theoretischen Diskursen, in die ich persönlich gar nicht einbezogen bin, zeigt sich das außerdem: Ich bin jetzt in einem Alter, dessen Abstand zur erwachsenen Jugend so groß ist, dass sie zunehmend wie selbstverständlich davon ausgeht, dass ich von ihren Anliegen keine Ahnung habe. In mehreren Vorträgen und Büchern junger Autorinnen ist mir das aufgefallen.
Ich habe darum im vergangenen Jahr viel nachgedacht, um zu begreifen, was gerade in der Welt und in meinem Kopf geschieht. Seit einigen Wochen zeigt sich das Ergebnis: Soweit es mich betrifft, ist es OK.

Ich brauche der Jugend nicht hinterherzurennen, um verstanden zu werden oder um ewig jung zu bleiben. Ich mache Fehler, aber ich habe Lebenserfahrung und manchmal auch etwas zu sagen. Ich muss mich damit nicht aufdrängen oder irgendwem etwas beweisen. Mit 51 Jahren bin ich ein angehendes Fossil und im Internet vermeintlich ein Dinosaurier. Wenn ich damit etwas beitragen kann, gern. Wenn nicht, habe ich genug Anderes zu tun, während die Jüngeren das Rad neu erfinden. So weit, dass mich die Erstwähler:innen überrascht hätten, ist es deswegen noch nicht. Trotzdem ist mir manches mittlerweile egal.

Über diesen Gap zwischen den Generationen musste ich mir allerdings erst klarwerden. Der war für mich vor ein paar Jahren noch nicht so fühlbar wie heute, ohne dass ich sofort verstanden hätte, was das eigentlich ist. Der Brückenschlag gelingt immer weniger wie von alleine, manchmal scheitert er mittendrin oder ist gar nicht mehr gewünscht. Die, mit denen es gut läuft, nicht eingerechnet.
Die jüngere Generation sucht sich ihre eigenen Wege, was völlig in Ordnung ist. Aber ich darf das eben auch.

In anderen Bereichen merke ich ebenfalls, wie die Zeit voranschreitet. Ich sehe die Verteilungskämpfe, die die jüngeren Theolog:innen ins Web transportieren, bisweilen durchaus von kirchlichen „Netzwerken“ angeheizt. Als wenn im Internet und abseits überkommener Strukturen nicht genügend Platz für alle wäre.
Diese Gefechte haben mich schon in meiner eigenen Generation abgestoßen, zumal ich mich damals noch nicht wehren konnte. Heute gehöre ich altersbedingt nicht mehr zur Zielgruppe und mische mich höchstens ein, wenn es mir in meiner Twittertimeline zu bunt wird.
Werde ich in meiner eigenen Kohorte mit Konkurrenzscharmützeln konfrontiert, ziehe ich mich seit jeher zurück und habe auch nicht vor, das zu ändern. Wobei diese Spielchen in unserem Alter zumindest online seltener geschehen. Dort stört mich bekanntlich eher, wenn die Älteren die analoge, kirchliche Struktur wie selbstverständlich mitbringen und von mir erwarten, dabei mitzumachen und das zu bedienen. So gesehen Kämpfchen auch hier.
Aus einem langjährigen, ehrenamtlichen Arbeitsbereich habe ich mich daher fast ganz zurückgezogen und an einer anderen Stelle neu angesetzt. Ausgang offen und zusammen mit der Fortbildung, die ich wie geplant im Analogen angefangen habe, auch genug zu tun. Der Kopf ist bekanntlich rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

Im Frühsommer bin ich zum ersten Mal einem Aluhut (Finanzen, Weltherrschaft) begegnet, der aber auch gute und warmherzige Seiten hatte. Diese Widersprüchlichkeit erzeugte in mir ein merkwürdiges, bisweilen beklemmendes Gefühl.
Man muss nicht gottgläubig sein, aber wenn man sich mit aller Macht gegen seinen spirituellen Zugang stemmt (unabhängig davon, wie man ihn füllt), kommt man offenbar irgendwann bei Verschwörungsgeschichten an. Damit versucht man dann, die Rätsel der Welt zu lösen, weil man sie nicht aushalten kann, aber auch keinem Gott oder Sinnbild überantworten will. Das machte diese Begegnung tragisch, wenn auch erklärlich, ohne Allgemeingültigkeit zu beanspruchen.

In der neuen Stadt wohne ich mittlerweile seit 15 Monaten. Ich bin überwiegend als Springerin eingeteilt und wechselte daher in dieser Woche in eine andere Gemeinde. Im Bereich Social Media bin ich mittlerweile mit zwei Arbeitskreisen beschäftigt, in denen es eine gute Atmosphäre und viel zu lernen gibt. Bisher verbringe ich im hiesigen Kirchenkreis die friedlichste Zeit seit langem.

Schließlich bin ich seit Juli vollständig geimpft, wenn ich für die Erstimpfung auch bis nach Luckenwalde fahren musste und habe einen neuen Hausarzt. Die #ZweiHerren sind jetzt ihrerseits bei einer Tierärztin mit separater Katzenpraxis, was deutlich stressfreier für uns alle ist als mit den ganzen Hunden in einer Kleintierpraxis. Der #NeoKater benötigt aufgrund seines hohen Alters künftig Unterstützung bei der Fellpflege. Das Schwimmbad hat wieder geöffnet und seit drei Wochen nehme ich wieder an einem Aquagymnastikkurs teil. Die Enkelin war zu Besuch, möchte aber noch nicht übernachten, was schade ist und häufigere oder spontane Treffen schwierig macht. Vor ein paar Tagen ist Charly, die Katze von Frau K., gestorben und Familie K. hat sie gemeinsam beerdigt. Ich hatte eine lange Liste an Stichpunkten für diesen Blogpost, doch ich streiche den Großteil weg. Der Lieblingsgospelsänger meiner Jugend ist tot und war angeklagt, ein mutmaßlicher Kinderschänder zu sein. Die Stadt duftete im Sommer fast überall nach Lindenblüten. Ein Twitterer, den ich sehr mochte, starb völlig unerwartet. Wir haben zu seinem Gedenken eine #twomplet gehalten, die ich gestalten und vorbeten durfte. Die Mammographie nach einem Jahr und die Vorsorge waren ohne Befund. Seit vorletztem Wochenende ist es so kühl, dass ich die Balkontür nicht mehr den ganzen Tag offen lasse. Es wird Herbst.