Josel von Rosheim

Ich würde glatt wetten, dass die Meisten diesen Namen noch nie gehört haben. joselganz.jpg
Selbst kenne ich ihn auch erst seit dem letztem Herbst. Da erzählte mir ein Kollege in der Gemeinde, dass er eine Ausstellung über diesen Mann plant:
Josel von Rosheim war ein elsässischer Rabbiner zu Zeiten Luthers und als solcher erst lokal und schließlich reichsweit unterwegs, um Konflikte zwischen Juden und Christen zu schlichten, Verträge auszuhandeln und politische Strukturen zu schaffen, in denen Juden möglichst gefahrlos leben konnten. Er und Luther haben sich vermutlich gekannt, es gibt einen Brief Luthers, der Josel ausgesprochen freundlich anredet, um ihm wenige Sätze später jede Unterstützung zu verweigern.

Darum ging es uns nämlich: Wir feiern im Lutherjahr 500 Jahre Reformation in allen Facetten, die der Protestantismus hergibt, aber Luthers Antisemitismus wird unter den Tisch gekehrt, damit er niemandem die Festlaune verdirbt.
Mein Kollege, schon länger im jüdisch-christlichen Dialog unterwegs, wollte das nicht mitmachen und holte deswegen die Ausstellung über Josel erstmalig ins Ruhrgebiet, also nach „Norddeutschland“. Als ich das hörte, stieg ich mit ein.

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Bücher 1/2 mit Stefan, Floridi und Luthers Essen

Belletristik ist bei mir im Augenblick nicht so dran, das macht aber nichts, ich fühle mich trotzdem bestens unterhalten, horizonterweitert, beglückt; wofür man Lesen eben so braucht. Einiges ist noch in der Mache, außerdem soll der Post nicht zu lang werden, darum in zwei Etappen, hier der erste Schwung:

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„52 Runden. 52 Interviews.“ Von Stefan Ludwig ist das erste Buch, über das ich berichten möchte. Stefan (ich kenne ihn bald 15 Jahre) ist sicher einer der optimistischsten und freundlichsten Menschen, die es gibt. Er ist in der Kulturszene und im Eventmanagement zu Hause wie nur wenige und dort zwei Mal mit eigenen Projekten pleite gegangen. Das ist so krass, dass er selbst fand, er könnte mit 38 Jahren eigentlich seine Biographie schreiben. Doch das journalistische Handwerk liegt ihm mehr. Also machte Stefan es anders und lud sich über das Jahr 52 InterviewpartnerInnen ein, die mit ihm um den Dortmunder Phoenixsee gingen und sich dabei unterhielten: Ein Taxifahrer, eine tierschutzaktive Buchhalterin oder ein Beamter bis hin zu so illustren Leuten wie Lioba Albus, Fritz Eckenga und Sascha Grammel.

52Runden – Januar 2016 from Stefan Ludwig on Vimeo.

Der Clou ist außerdem, dass nicht nur Stefan seinen Interviewpartnern Fragen stellte, sondern sie ihn ebenfalls fragen durften. So entstanden nicht nur richtige Gespräche, sondern man erfährt oft mehr über jemanden, wenn er selbst anfängt zu fragen, als wenn er nur antworten muss. Stefan sagt, er macht mit den Interviews und den Spaziergängen weiter. Dann geht vielleicht auch beim Lektorat noch etwas mehr. Bis dahin freue ich mich über dieses großartige Buch, so liebenswürdig wie sein Autor, witzig, tiefsinnig und mit einer Menge Dortmunder Lokalkolorit.

Stefan Ludwig: 52 Runden. 52 Interviews, Dortmund 2016

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Fritz the Genesis

Robert Crumb hat die Genesis gezeichnet. Robert… wer? Genesis… hä?
Also noch einmal: Der Erfinder von „Fritz the Cat“ hat das erste Buch der Bibel gezeichnet:
Bild für Bild, Vers für Vers.

Herausgekommen ist ein Comic der monumentalen Art, zumal sich Crumb die alten TV-Epen zum Vorbild nimmt: Gott, (natürlich) Vater, sieht aus wie eine Kreuzung von Mose und Neptun. Die Frauen haben noch richtige Waden und dass die Schöpfungsgeschichte näher an der Steinzeit als am 21. Jahrhundert liegt, ist ebenfalls gut getroffen.

Auch beim Text setzt Crumb auf die alte Schule: Das Original zitiert King James („now art thou cursed“), die deutsche Übersetzung übernimmt der vorrevidierte Luther („sintemal“) – von Crumb so aufgezeichnet, wie er es verstanden hat.

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