Meine Highlights auf der re:publica

Weil ich von ihm ein Foto gemacht habe, was ich bei den anderen Vorträgen leider vergaß, fange ich meine Highlights mit Thomas Fischer an, dem Richter am Bundesgerichtshof. Fischer trug über „Strafrecht, Wahrheit und Kommunikation“ vor. Er erläuterte, warum lückenloses Strafrecht totalitär ist und dass die Reform des Sexualstrafrechts mittlerweile die „sechste oder siebte“ seit 1997 sei; die jeweils vorherige wäre „kaum in den Kommentaren angekommen“.
Wenn ich an das Gezerre denke, bis Vergewaltigung in der Ehe endlich strafbar wurde, wundert mich das nicht. Dass die Anwendung vorhandener Gesetze in der Kölner Silvesternacht in allen mutmaßlichen Fällen genügt hätte, wie Fischer sagte, wenn denn genügend Polizei vor Ort gewesen wäre, finde ich hingegen ziemlich einleuchtend.

Was mich für den Vortrag Fischers und das Law Lab, also die juristische Themenreihe, insgesamt eingenommen hat (ich besuchte auch noch den kurzweiligen „Saisonrückblick Social Media Recht“), ist die Diskussionsgrundlage, die die Juristen mit ihrem Blickwinkel schaffen. Häufig bringen sie zu politischen Themen für mich neue oder zumindest unerwartete Gedankengänge ein, an die ich als Theologin und PR-Frau gut andocken kann. Das ist etwas Anderes als die Betroffenheitslyrik, die bei manchen noch ungeübt Vortragenden die inhaltliche Substanz ersetzte und auch etwas Anderes als Informatik oder Mathe, wo ich mir eine Verknüpfung nicht so schnell zutraue.

Darum bin ich auch nur zu Gunter Duecks Vortrag über „Cargo-Kulte“ gegangen, weil es um Ersatzreligionen ging, ich kannte den sonst nur dem Namen nach. Was soll ich sagen? „Kirche mit Zukunft“ oder wie das in den jeweiligen Landeskirchen hieß bzw. bei Dueck eigentlich für die freie Wirtschaft gedacht, so boshaft zerlegt, dass die nahezu vollständig versammelte Kirchenszene Tränen lachte oder weinte und alle anderen auch. Großartig war bereits der Einstieg, in dem er die These aufstellte, dass ein Unternehmen alles, was es nicht kann, auf Tassen druckt:
„Team, Innovate, Win!“
Mittlerweile wieder zu Hause lese ich Duecks Buch „schwarmdumm“, lache immer noch, raufe mir die Haare und freue mich wie ein Schnitzel, wenn er anhand eines Ameisenhaufens die Schöpfungstheologie „genial einfach“ erklärt.

Mein drittes Highlight war eine halbe Stunde „Lightning Talk“, in dem Caro Mahn-Gauseweg über ihr Projekt, die „Schwestern Grimm“, berichtete. Das ist ein Blog, in dem sie Märchen der Gebrüder Grimm mit vertauschten Gendern neu schreibt, den Inhalt ansonsten aber beibehält. Aus dem Froschkönig und der Prinzessin wird so ein Prinz, der sich mit einer Kröte plagt. Der feministische Hintergrund dieses Unterfangens wird sofort deutlich, aber Mahn-Gauseweg will dabei nicht stehen bleiben:
Es gehe nicht darum, durch den „Gender Swap“ ein Ziel oder eine Lesart vorzugeben, sondern insgesamt offen zu sein für die veränderte Wirkung, die das Märchen dann habe.

Trotzdem war das für zwei permanent quasselnde Zuhörer schwer zu ertragen. Drei Mal bat ich höflich um Ruhe, da die Lightning Talks ohne Mikrophon in einem Durchgangsraum stattfanden und darum schwer zu verstehen waren. Das nützte nichts, im Gegenteil wurde ich von einem der Beiden dafür unflätigst beschimpft. Dass eine Frau vorträgt und eine andere zuhören möchte, scheint für manche Männer immer noch eine Herausforderung zu sein.
Auch Thomas Fischer musste sich lautstarke Zwischenrufe anhören: Ein Mann hatte ihn gefragt, warum sich Fischer (vermeintlich) gegen „Nein heißt Nein!“ ausgesprochen hätte, obwohl das für den Schutz der Frauen wichtig wäre. Als Fischer zunächst erklärte, dass das Sexualstrafrecht auch dem fragenden Mann bzw. allen Männern und Jungen diene und nicht auf den Schutz von Frauen beschränkt sei, war Alarm in der Bude. Schutzbedürftigkeit beim starken Geschlecht?
Das wollte man(n) doch gar nicht wissen.
Stolz verkündeten die Veranstalter der re:publica beim Schlusspanel, dass dieses Jahr 46% der Sprecher_innen Frauen waren. Vielleicht haben noch nicht alle Männer verstanden, was das für die Beschreibung von Wirklichkeit bedeutet. Oder eben doch.

Drei Vorträge und einen Blog habe ich genannt und verlinkt, plus ein bisschen drumherum. Das waren natürlich nicht die einzigen, zu denen ich gegangen bin, das schimmert, glaube ich, auch durch. Es sind diese hier, die ich am besten fand. Besonders schön war außerdem, viele Leute persönlich kennenzulernen oder wiederzusehen!

Politisch bin ich mehrfach mit hochgezogenen Augenbrauen herumgelaufen. Da lässt man jemanden wie den Fischer kommen und auch so sind viele Themen gesellschaftlich dran und dann darf sich der Oettinger selbst einladen und niemand sagt ihm, dass er entweder auf’s Podium muss oder lieber gleich in Brüssel bleibt. So etwas begreife ich nicht. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich die Hintergründe und die Sprachregelungen der Veranstalter nicht kenne. Druckt mir ’ne Tasse!

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