Lernen und Lehren

„Ich hoffe, ich habe euch weder verloren noch eingeschüchtert, bloß weil ich von der intimen Begegnung spreche, die sich ereignet, wenn echtes Lernen und echtes Lehren passieren. Weil ich davon spreche, mich selbst zu fühlen, die Gefühle anderer Menschen und meine Reaktionen darauf wahrzunehmen. Denn wir alle müssen freilich verstehen, dass dieser Austausch die am heftigsten untersagte und zu verhindern gesuchte menschliche Übung unserer Zeit ist.

Die puritanische Ethik von heute nähert sich ihren logischen Folgen. Junge Menschen können ohne mit der Wimper zu zucken Sexualkontakte haben, doch sie ertragen nicht die Intimität einer genauen Auseinandersetzung oder einer gemeinsam erlebten Empfindung. Dennoch ist es diese Intimität, die notwendig ist, um wahrhaft zu lehren, zu schreiben, zu leben.

Ihr habt mich gebeten, meine Gefühle über die Lehrerin als Poetin auszusprechen. Ich zeige euch mich selbst. Ich zeige euch euer Selbst; lernt, eure Dichterin zu lieben, lernt es, sie zu leben. Ihr lehrt so, wie ihr empfindet, wie ihr lebt, wie ihr eure Gefühle zeigt.“

Audre Lorde

Mit Dank an den Verlag w_orten & meer