Bräute heute

Antje Schrupp machte kürzlich auf einen Kommentar von Charlotte Haunhorst aufmerksam, in dem sie die Rückschrittlichkeit heutiger Brautpaare bei der Gestaltung ihrer Hochzeit hinterfragt. Märchenhochzeit, Brautübergabe und der Ehemann als Held und Beschützer. Die Kaltmamsell begründet dies schon länger mit speziellen Brauthormonen, die sie bei manchen Frauen vermutet: „Anders lassen sich eine ganze Reihe von Erscheinungen in der Frauenwelt nicht erklären.“

Wenn ich mir die letzten 20 Jahre ansehe, habe ich privat und beruflich ähnliche Erfahrungen gemacht. Zunehmend sehe ich mich in Traugesprächen mit einer übereifrigen Braut konfrontiert, die mir sagen möchte, was ich laut ihrem Drehbuch zu machen habe. Die Vorlage für den Plot haben sie und ihr Verlobter kaum selbst erstellt. Der Großteil ist bei Hollywood abgeschrieben und den Rest besorgen die Freundinnen der Braut, die ihr eintrichtern, man müsste das alles so machen, was die Frau unter riesigen Erfolgsdruck setzt.

Das Traugespräch fängt daher häufig damit an, dass ich versuche, den Druck der Braut aufzulösen. Meist indem ich die Frage beantworte, was man alles nicht tun muss, obwohl es die Freundinnen gesagt haben. Wenn wir diesen Teil hinter uns haben, fällt der Braut regelmäßig ein Stein vom Herzen und das Paar beginnt zu formulieren, was es wirklich möchte. Dann wird das Gespräch richtig schön und die Trauung folglich auch.

Trotzdem bleiben einige Aspekte, die mich nachdenklich stimmen. Was sich bereits bei den Hochzeitsvorbereitungen abzeichnet, ohne dass dem jemand besondere Bedeutung beimisst, trifft man einige Jahre später als bekanntes frauen- und familienpolitisches Problem wieder. Namentlich wenn es um Rollenkonstellationen und den Umgang mit Arbeit- und Familienzeit geht, fällt manches besonders auf:

Obwohl sich die Männer mit eigenen Wünschen einbringen und die Vorbereitungen häufig viel gelassener betrachten, liegt die Gesamtplanung immer in den Händen der Frau. Um so erstaunlicher ist die Terminfindung für das Traugespräch: Die orientiert sich nämlich immer an den Arbeitszeiten des Mannes. Nicht an denen der Frau, auch wenn sie mehr verdient oder Schichtdienst hat; auch nicht an meinen, obwohl ein Traugespräch für mich ja definitiv Arbeitszeit ist. Die Paare setzen selbstverständlich voraus, dass die Arbeitszeit des Mannes das Entscheidungskriterium ist, um das herum sich die Termingestaltung zu bewegen hat.

Die Übergabe der Braut durch den Vater ist mittlerweile in jedem Traugespräch ein zentrales Thema. Den Brautleuten ist anzumerken, dass sie darauf vorbereitet sind („man muss das so machen“). Ich sage dann immer, dass die Brautübergabe einen Besitzerwechsel bedeutet und wir das in der evangelischen Kirche nicht wollen und dass eine Hochzeit auch dazu dient, dass das Paar als Gemeinschaft bei Freunden und Familien seinen Platz anzeigt. Deswegen ziehen die Brautleute üblicherweise gemeinsam ein.
Nicht immer komme ich damit durch. Die Braut hat ihre eigene Sicht der Dinge, es geht um den Abschied aus dem Elternhaus (auch wenn der faktisch Jahre zurückliegt), Behütetsein, die Liebe zum Vater. Dass dem künftigen Ehemann kein vergleichbares Ritual zur Verfügung steht, macht den Frauen offenbar nichts aus; nach einem Blick in die Augen des Verlobten bin ich mir da manchmal nicht so sicher.
Wenn es also sein muss, halte ich es so, dass ich mit dem Paar und vor allem der Frau erarbeite, wie sie die Übergabe inhaltlich füllen. Das Umdeuten von Symbolen und Ritualen hat in der Theologie eine lange Tradition, die großen kirchlichen Feste geben dafür ein Beispiel. Meine Zweifel, ob das in jedem Fall auch sinnvoll ist, nimmt mir das trotzdem nicht. In der Kopftuchdebatte oder wenn Frauen den Nachnamen des Mannes annehmen und den eigenen ablegen, stehe ich vor einem ähnlichen Dilemma.

Schließlich fällt mir auf, dass die jungen Frauen mittlerweile einen Verlobungsring tragen, auch das wie in Hollywood: Ein schmaler Reif, in den vorne ein kleiner, heller Stein eingefasst ist. Hier ist für den Bräutigam ebenfalls nichts vorgesehen (und die Verlobungsringe schauen für meinen Geschmack alle gleich aus). Das war früher anders. Da wurden zur Verlobung die Eheringe angeschafft, der Name des jeweiligen Partners und das Verlobungsdatum eingraviert und von beiden bis zur Trauung am linken Ringfinger getragen.

Erst bei späteren Beziehungen, in der zweiten, dritten Partnerschaft oder Ehe, weichen diese Abläufe bei den Meisten auf und zwar nicht nur, weil ein weißes Kleid mit Schleier ab Mitte vierzig endgültig eigenartig wirkt. Ich weiß von zwei Paaren, bei denen sie ihm einen Heiratsantrag gemacht hat:
Der eine Mann bekam ein Döschen Gummibärenherzen als Wegzehrung, während er sich die Antwort überlegen sollte (er sagte sofort ja und aß das Zeug später) und der andere einen schlichten Ring, von dem er voller Freude noch in der Nacht ein Foto schickte. Ein weiteres Paar guckte einfach formlos in den Kalender, um einen Termin zu finden. Aber das habe ich nur einmal gehört.

6 Kommentare zu „Bräute heute

  1. Es ist ein Versprechen, dass man in Zukunft füreinander einsteht, den anderen lieben, ehren und achten will. Nicht mehr und nicht weniger. Dass das andere mit einem feiern wollen, ist doch sehr schön. Aber den ganze Chichi drumrum, was genau wie sein muss, lenkt eigentlich nur ab. Ich habe eine Freundin, die Pfarrerin ist und der es genau so geht wie Ihnen.
    Sie sagt, dass sie mittlerweile Beerdigungen viel lieber macht als Hochzeiten.

  2. Gnä Frau, Sie werden es nicht glauben: Nächste Woche darf ich im Lübecker Dom verheiraten OHNE BRAUTÜBERGABE! #hach. Das erste Mal in diesem Jahr. Und ich hatte schon 10 Trauungen. Ich mach doch so gerne diese schöne agendarische Begrüßung des Brautpaares unter der Empore, bevor die Orgel einsetzt. Aber das geht schon seit langem nicht mehr. Na ja, die beiden jetzt sind schon 1 Jahr standesamtlich verheiratet und haben zwei Söhne. – Und sonst? Selbst über 40jährige, die 10 Jahre zusammenleben: In der Kirche muß Papi ran. Und wenn Papi ins himmlische Jerusalem umgezogen ist, findet sich bestimmt noch ein Onkel oder so …
    Und es ist ihnen nicht auszureden.

  3. Naja, wir nahmen damals dann die Variante: Du, T. (Gemeinderefrent Freikirche), wann im Sommer hast du Samstags Zeit uns zu trauen? und danach richtete sich der Rest. Zu Brautkleid habe ich mich breit schlagen lassen (gäb es heute auch nicht wieder), eingezogen sind wir zusammen und auch ansonsten war es eine gemeinschaftsaktion zwischen uns und T.
    Da waren wir aber schon recht allein auf weiter Flur mit, meist doch eher wie oben beschrieben.

    Lg KathieJo

  4. „Der vermeintlich „schönste Tag des Lebens“ mag es für die Betroffenen ja gewesen sein, das Interesse der Restmenschheit sollte jedoch nicht überstrapaziert werden. Wenn ich heute allerdings trotzdem etwas über meine eigene Hochzeit schreibe, dann weil ich bei der Pressepfarrerin unter dem hübschen Titel „Bräute heute“ aufgeklärt wurde.

    Aufgeklärt wurde ich von ihr über die aktuelle Brautgeneration, die (wieder) konservativer sei, sich z.B. vom Brautvater zum Altar führen lässt oder auf einen hollywoodreifen Antrag hofft.“

    http://www.theologiestudierende.de/2016/09/12/moment-mal-ein-kessel-voller-heisser-starker-liebe/

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