Auf dem #hansebarcamp

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Dass ich beim #hansebarcamp war, liegt schon zwei Wochen zurück. Kaum wieder zu Hause bekam ich von einer Teilgeberin die Anfrage, einen Artikel über die #twomplet für ein theologisches Magazin zu schreiben. Der ist mittlerweile fertig und erscheint Ende April. Jetzt finde ich die Zeit, das, was mir auf dem BarCamp besonders wichtig wurde, zu verbloggen. Ich bin über den Tag in mehreren Sessions gewesen, es hat mir gut gefallen!

Spaß hatte ich an diversen Insider-Begriffen, vielleicht sollte ich mal ein Bullshit-Bingo für christliche BarCamps entwerfen. Dark Social im Gegensatz zu Pseudoöffentlichkeit – noch nie klang es so herrlich gefährlich, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Selektive Authentizität, digitale Hausbesuche, nun ja. Allerdings blieb es nicht beim Wortgeklingel allein.

Tröstlich war der Hinweis von Konrad, dass wir uns auf Twitter und bei #digitaleKirche postkonfessionell zusammenfinden, nämlich getragen von dem, was wir mitbringen und suchen, statt von erstarrten Zugehörigkeitsformen und Dogmen.

Richtig bedenklich fand ich dem gegenüber die Themen und Begriffe, die in Konrads Session über Datenverarbeitung fielen, die er mit der Sammelwut von Datenbataillonen und Lochkartenfirmen in der NS-Zeit einläutete. Volkszählung, Planung einer Reichsausweisnummer von der Wiege bis zur Bahre, alles schonmal dagewesen, dazu eine Ev. Kirche, die ihre Kirchbücher nur zu bereitwillig geöffnet hatte. Uns gelang in der Diskussion der Schwenk ins Heute, wo China Moralpunkte verteilt und die Leute das gut finden und wo Stimmanalysen bei Einstellungstests herangezogen werden. Ich bin dankbar, dass wir nicht den Fehler machten, alles sofort in gut oder böse zu unterteilen, sondern die Komplexität und die Fülle der ethischen Fragen herausgearbeitet haben.

Insgesamt war das #hansebarcamp durch seine Teilgeber_innen überwiegend auf die Gemeindepraxis bezogen. Die #twomplet, die vielen in der digitalen Kirche als Highlight, mindestens aber als Positivbeispiel digitaler Glaubenspraxis gilt, hat – auch durch ihre Verortung auf Twitter – aus dieser Perspektive nahezu keine Bedeutung. Es war eine Session über die Kirchenbotschafter, die mir klar machte, welche Erfahrungen hier eine Brücke schlagen: So sind die Zeiten, in denen man einfach sein digitales Projekt vors Publikum hält, mittlerweile vorbei. Fünf Jahre ist die #twomplet jetzt alt, die Welt hat sich inzwischen weitergedreht. Dessen eingedenk können wir uns aufs Neue einbringen: Welche Erfahrungen haben wir in dieser – für digitale Verhältnisse – langen Zeit gemacht, in unserer Frömmigkeit, in Ökumene und Gemeinschaft oder in dem, was in der Wirtschaft Kundenbindung heißt? Welche Hinweise möchten wir jungen kirchlichen Projekten geben; bei welchen Überlegungen trauen wir uns zu, gute Gesprächspartner_innen zu sein? Wie hat sich unser Bild von Kirche verändert? Das ist die Richtung, in die die Diskussion für die #twomplet weitergeht.

Und schließlich bin ich auch ganz privat glücklich, nach Hamburg gefahren zu sein. Ich mag diese Stadt gern und besuche sie doch viel zu selten, zuletzt zum #port15, dem ersten Twittertreffen auf dem ich war. Auf der Reeperbahn und dem Fischmarkt bin ich seit 27 Jahren nicht gewesen. Mein Hotel war günstig gelegen, sodass ich beides mit je einem Spaziergang am Samstag Abend und einem am Sonntag Morgen endlich wiederholen konnte und dabei in Erinnerungen schwelgte. Damals, fast genau um diese Jahreszeit, lösten wir die Karten für das Phantom der Oper ein, die mir der ExMann, da mein Verlobter, zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich war gerade noch 21 und Frau K. als kleines Reis bereits unter uns, aber das wussten wir noch nicht. Als Landkinder liefen wir staunend über die Reeperbahn und kauften am frühen Morgen auf dem Fischmarkt ein paar Topfpalmen und einen Ficus für des ExManns neue Wohnung. Daran dachte ich, als ich am Sonntag Morgen hinter der Markthalle auf das Wasser blickte. Gerade noch 48, lange geschieden, mit einem Beuteenkel, der im April sechs wird und einer Enkelin, die drei Tage nach meiner Rückkehr aus Hamburg ihren ersten Geburtstag feiern sollte. Am Fischmarkt sieht man, dass man älter wird.

Was auf der Fotocollage abgebildet ist: Blick auf die Braukessel im Überquell, wo das Meet up am Freitag Abend stattfand – auf dem Weg vom Hotel zum Dorothee-Sölle-Haus lag der Jüdische Friedhof Altona mit einem imposanten Totenschädel auf dem vordersten Grabstein – Session über Top-Themen bei Instagram – Mittagessen: Kartoffelsuppe mit Croûtons und Brot, Falafel-, Puten- und Mozarella-Tomaten-Spießen – „Fuck the Norm“-Aufkleber an nahezu jedem Laternenpfahl, ich mochte die und dachte an Rage against the Machine – Absacker im Hotel mit Nachos – Obst und Gemüse werden auf dem Fischmarkt mittlerweile auch als Komplettangebot in Körben verkauft – Blick auf den Hafen vom Fischmarkt aus – Gemeindehaus der Ev. Kirchengemeinde St. Pauli mit „Glaube, Liebe Hoffnung“ über und ‚F*ck Police‘ neben der Tür.