
Fischweiber – so hätte man früher eine feministische Zeitschrift nennen können. Unsere hieß damals Schlangenbrut, das ging vom Sound in eine ähnliche Richtung. Fischweiber stehen für laute, dreiste und dabei sehr gewöhnliche Frauen. „Frech wie ein Fischweib“ sagte Ben Tipton über seine Frau Minna Tipton im „kleinen Lord“, als er sie enttarnte.
Aber erst, seit ich das Buch „Demokratie. Eine deutsche Affäre“ von Hedwig Richter las, weiß ich, dass es die Fischweiber zu Zeiten der Französischen Revolution wirklich gab. Sie waren Marktfrauen ‚aus den Pariser Arbeitervierteln, die nach Versailles zogen, um die Senkung der Brotpreise zu fordern‘.
Doch nicht nur diese Damen hatte Richter im Blick, als sie über die Demokratiegeschichte in Deutschland vom 18. Jahrhundert bis heute schrieb. Sie schaute auf Frauen in allen Epochen und zwar sowohl auf die, deren Leben Richter in ihrem Buch nachzeichnete und einordnete, als auch auf die, deren Forschung sie dabei heranzog. Noch nie ist es mir so aufgefallen, dass Frauen ganz selbstverständlich genannt und beteiligt waren und zwar ohne jedes Tamtam. Es las sich ganz anders als sonst.
Überhaupt achtete Richter darauf, alle politischen Strömungen, Stände und Einflussgruppen darzustellen. Statt der herkömmlichen Trias aus denen, die regierten, denen die regiert werden und denen, die keinen Einfluss hatten, wob sie ein buntes Muster der Lebensvollzüge, in dem jeder Mensch oder jede Gruppe eine Bedeutung und einen Platz hatten und sei es der Umriss des eigenen Körpers.
Dass sich die Geschichtsschreibung und ebenso andere Disziplinen hin zu pluraler und systemischer bzw. struktureller Betrachtungsweise verändern, stelle ich schon lange und immer wieder fest; kirchengeschichtlich vor allem, als ich mich im Lutherjahr auf die Ausstellung über Josel von Rosheim vorbereitete. Ich nutzte die Lektüre dieses Buches darum, um mich mit dieser Lesart weiter auseinanderzusetzen. Das war mir wichtiger als herauszufinden, ob ich mit jeder historischen Skizzierung der Autorin übereinstimme.
Highlights wie die Fischweiber streute Richter in allen Kapiteln ein. Im hinteren Teil war es das Lied von Loretta Lynn über die Pille, die das Leben der Frauen ja tatsächlich revolutionierte. Hier ist es, zusammen mit meinem Dank für ein kluges Buch!