„Es war ein ungewöhnlich warmer Sommer, aber die über der East Bay brütende Hitze schickte bereits fahle Nebelfinger bis in die Stadt.“ So lautet der erste Satz vom letzten Buch der von mir heißgeliebten Stadtgeschichten: Armistead Maupin, „Die Tage der Anna Madrigal“, übersetzt von Michael Kellner. Dieser nunmehr neunte Band war bereits letztes Jahr erschienen. Ich hatte ihn noch nicht gelesen, so kam er mir, als ich jetzt die zweite Woche immer noch hustend und nahezu taub im Bett lag, genau richtig. Denn Maupins Art Geschichten zu erzählen, dieser melancholische Humor mit dem Hauch Kittelschürze, ist wie das Pflaster auf dem aufgeschlagenen Knie, der Kakao an einem dunklen Wintertag, das warme Handtuch nach dem Regenguss. Zwei Sätze sind mir besonders hängen geblieben, vom Buchanfang abgesehen, und was eine „Muschi-Decke“ ist, müssen Sie selbst rausfinden. Also: „Teenager revoltierten gegen das Ende der Kindheit, und alte Leute gegen das Ende von allem.“ Und: „Man kann nicht von jemandem geliebt werden, der sich ansonsten nicht für einen interessiert.“ So einfach, so hach!
Weiter geht’s mit „Nettsein ist auch keine Lösung. Einfache Geschichten aus einem schwierigen Land“ von Harald Martenstein. Ich mag den ja, deswegen lese ich ihn auch, ich muss ja nicht mit allem einverstanden sein. Mir gefällt dieser eulenspiegelige Blick, den die politisch Gutmeinenden eher als Sehstörung empfinden. „Verbissene Leute sind fast immer komisch“, fällt dem Autor dazu ein und „wie wäre es, wenn alle Leute freundlich und höflich miteinander umgehen würden?“ Außerdem ist über „Kirchentagserbauungsartikel“ zu lesen, ein Wort, das aus 27 Buchstaben und vier Einzelbegriffen besteht und allein deswegen schon wahr ist (trust me, I’m evangelisch). Kein Wunder, dass Martenstein bereits zu Anfang bekennt, „ich brauche meine Lebenszeit, um in Würde zu altern“. Echt jetzt, der soll mich mal fragen.
Als drittes gab es noch die Herren Kaduk, Osmetz, Wüthrich, Hammer und ihr Buch „Musterbrecher. Die Kunst, das Spiel zu drehen“. Hier geht es um Führungsstile und Organisationsentwicklung, also Kybernetik, wie wir das in der Kirche nennen. Die kommt sogar auch vor, namentlich als Stiftung kreuznacher diakonie. Solche Bücher funktionieren bei mir immer dann, wenn sie sich nicht wie eine Heilsschrift aufführen und wenn sie den Seelsorgesound, von dem ich froh bin, ihn endlich einmal los zu sein, nicht durch launiges PR-Geseiere ersetzen. Das hat in diesem Fall super geklappt, sodass ich das Buch mit Gewinn las, weil es mir hilft, meine Gedanken zu Kirche im allgemeinen sowie zu Gemeinde und Projekten im besonderen zu ordnen. Ich finde das entspannend, zum Kranksein passte das dann gut. Begriffe hat es gleich mehrere gegeben, interessant daran ihre Zuordnung: „Zutrauen ist eine Bringschuld, Vertrauen ist eine Resultante“; man lasse es wirken und denke ans Ehrenamt. Dann waren da noch die Passagen, die mich berührten, weil sie so ungeschminkt ehrlich waren: „Damit schafft man ein Gegengewicht, weil die echte Entfaltung in der Firma nicht gelingt“, erklärte ein Manager über das Ende seines Engagements. Später ließ sich noch der Pfarrkollege aus der Stiftung vernehmen: „Vermutlich muss man genau die Menschen in Führungspositionen bringen, die auf Macht keinen Wert legen.“ Und bei einem weiteren Zitat ist mir just das Post it von der Seite gerutscht. Ich glaube, das lassen wir besser so.
Die Fotos zeigen zwei Mal den #NeoKater und schließlich den #DiätKater, jeweils mit den besprochenen Büchern.