Das war’s, was ich heute den ganzen Nachmittag gemacht habe: Aus dem Fenster und ins Internet geguckt. Es war so herrlich wenig los, außerdem träumte ich vom Geschmack meiner ersten Virgin Colada, die ich zum Mittagessen trank. Wäre das nicht in der großen Stadt nebenan gewesen, ich hätte später noch eine genommen. Jetzt beginnt langsam die blaue Stunde. Damit ich trotzdem beschäftigt bin, verblogge ich endlich die gelesenen und gehörten Bücher der letzten Monate:
Martensteins „Jeder lügt, so gut er kann“ (Komma von mir) las ich bereits im Oktober. Aber das macht nichts, weil ich mir ein paar Marker ins Buch geklebt hatte. Den Anfang fand ich schleppend, danach war es martensteinig wie immer: Lustig, ein bisschen böse und oft sehr klug. Die Geschichte über die Busfahrt des Zehnjährigen ist auf beklemmende Weise berührend. So muss man Ambivalenzen erst einmal beschreiben können. Oder wie es ist, wenn Kinder groß werden und welches Bild von ihnen in den Köpfen der Eltern weiterlebt. Das so schnörkellos in einer Zeitungskolumne in Worte zu fassen, empfinde ich als Kunst. Und die mag ich besonders gern, wenn ich sie irgendwo im Alltag finde.
Das zweite Buch, das ich gelesen hatte, heißt „Der koschere Knigge“ von Michael Wuliger. Dazu war ich bisher nicht gekommen, ich weiß nur noch, dass es jetzt endlich einen Anlass gab, keine Ahnung mehr welchen. Das Buch ging leicht und schnell zu lesen und lustig fand ich es ebenfalls. Neues war für mich nicht mehr dabei, da hat der jüdische Bekanntenkreis gute Vorarbeit geleistet, um nicht zu sagen: Es ist alles noch viel schlimmer. Bei den Juden auch.
Und wenn ich schon zwei Bücher lustig finde, nehme ich noch ein drittes dazu, steige aber dabei auf Hörbücher um: Mark-Uwe Kling mit den „Känguru-Apokryphen“. Der dritte Teil der Chroniken war ja nicht so meins, aber Hallo, da sind wir wieder! So muss das Känguru sein. Wobei ich es noch ein paar Mal durchhören werde, weil es zu meinen Einschlafbüchern gehört und ich sicher noch nicht alles mitgekriegt habe. Umso besser.
Das Biographie von Michelle Obama mit dem großartigen Titel „Becoming“ habe ich mittlerweile etappenweise bis zigfach laufen lassen. Einerseits ist sie wirklich interessant, andererseits hörte ich sie auch beim Einschlafen und schließlich geht sie fast 19 Stunden lang, vorgelesen von Katrin Fröhlich.
Man guckt hinter die Kulissen des Weißen Hauses, wie man da hineinkommt und dann da lebt. Ich würde es dort keine zwei Wochen aushalten, fremdbestimmt und regelrecht in einem Käfig. Dabei waren Obamas Beschreibungen natürlich völlig loyal ihrem Mann und seinem Amt gegenüber. Aber wenn sie erzählt, was abläuft, wenn sie kurz raus in den Garten möchte, verrät das genug. Auch Michelle Obamas eher schwierigen Saiten, eine gewisse Zwanghaftigkeit und Planungswut, scheinen erkennbar durch, was dem Buch bei allem Wissen um die inhaltlichen Grenzen etwas sehr ehrliches gibt. Über die Situation schwarzer und farbiger Menschen bin ich jedenfalls nochmal ins Nachdenken gekommen und darüber, wie Arbeiterkinder später als Akademiker_innen auf die Welt sehen. Aber das hat Obama auch vermitteln wollen, ebenso wie die Reflexion ihrer Rolle als Frau und als First Lady. Ich habe so ein Buch noch nie gelesen (oder gehört).