Tutti Frutti, aber als Bücher

Ich lese ja schon seit Jahren weniger. Was so eigentlich nicht stimmt. Ich lese nur anders verteilt. Viel mehr Internet. Fast kaum noch Belletristik. Wegen eben Internet, aber auch Beruf: Das Leben schreibt genug Geschichten. Dann ist da noch die Sache mit den Aktenordnern. Dazu das, was ich angelesen, aber nicht durchgelesen habe oder was ich nur mäßig fand. Bis ich in den letzten Monaten bei diesen Büchern ankam. Die waren prima.

Aufgeschlagene Doppelseite aus Bob Dylans Buch. Es zeigt links eine Revuetänzerin aus den 50ern im Tutti-Frutti-Kostüm und rechts den Beginn des Kapitels über "Tutti Frutti" von Little Richard.

Nur das Buch von Bob Dylan habe ich noch nicht ganz durch. Da ich mir sowohl die Printausgabe als auch das Hörbuch bestellte, wechseln Wolfgang Niedecken und ich uns mit Lesen ab. Kurze Essays zu jeweils einem Lied aus dem American Songbook, in denen Dylan schreibt, was ihm dazu einfällt. Das ist, wie zu erwarten, eine ganze Menge.

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Vier Hörbücher

Dunkelrote, fast verblühte Amaryllis auf meinem Wohnzimmertisch, daneben, farblich passend, eine brennende Kerze, dahinter die Couch und davor mein iPad mini mit den Miniatouransichten der vier Hörbücher.

Was Hörbücher betrifft, bin ich ziemlich speziell. Belletristik geht gar nicht, was ich bedaure. Denn mein Interesse an Schmökern hat in den letzten Jahren fast gänzlich abgenommen. Sie mir als Hörbuch anzuhören, wie früher als Kind eine Kassette, klappt aber ebenfalls nicht.

Wenn Hörbuch, dann Sachbuch, bestenfalls eine Biographie und nur zum Einschlafen. Am Wochenende bisweilen noch beim Aufwachen oder Rumgammeln, aber auf keinen Fall beim Kochen, statt Rundfunk oder beim Autofahren. Ich unterhalte mich beim Autofahren ohnehin nicht gern, egal ob als Fahrerin oder mit dabei. Folglich telefoniere ich auch im Auto nicht. Etwas Radio, eine CD mit Musik und zwischendrin mal ein lautgedrehtes Lied reichen völlig aus.

Hörbücher zum Einschlafen sind für mich also am besten. Dann funktioniert auch die Kinder-Kassetten-Methode: Ich muss das Buch mehrfach hören, bis ich genügend Einzelteile zusammenhabe, um sie zu einem inhaltlichen Ganzen zu sortieren. Erst dann wird das Buch langweilig. Wobei ich es als Kind nicht so empfunden habe, dass mir Teile der Handlung entgingen. Wohl erinnere ich mich daran, dass ich meiner Kassetten und Schallplatten trotz häufigen Hörens nicht überdrüssig wurde. Später, als Erwachsene, las ich irgendwo, dass das daran läge, dass Kinder beim Hören jedesmal ein neues Detail entdeckten, statt die Komplexität sofort oder nach wenigen Malen zu erfassen. Das passt zwar nicht mit meiner Erinnerung zusammen, aber mit meiner Einschlaferfahrung.

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Bücher mit Musik

Ich wollte schon länger die letzthin gelesenen Bücher verbloggen, doch man kommt ja zu nichts. Aber jetzt endlich. Politisch wie immer aus allen Richtungen:

Dekorativ durcheinander auf den Tisch gelegt: Caroline Fourest, Generation beleidigt; Bob Dylan, Ich bin immer nur ich selbst (Interviewsammlung); Mithu Sanyal, Identitti; Elisabeth Steinkellner und Anna Gusella, Papierklavier; Hamed Abdel-Samad, Schlacht der Identitäten (eBook auf dem iPad mini)

Hamed Abdel-Samad: Schlacht der Identitäten (eBook),

Bob Dylan: Ich bin immer nur ich selbst (Interviewsammlung),

Caroline Fourest: Generation beleidigt

Anna Gusella und Elisabeth Steinkellner: Papierklavier

Mithu Sanyal: Identitti.

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Fischweiber

Das Buch mit Pfingstrosen und Osterkerze.

Fischweiber – so hätte man früher eine feministische Zeitschrift nennen können. Unsere hieß damals Schlangenbrut, das ging vom Sound in eine ähnliche Richtung. Fischweiber stehen für laute, dreiste und dabei sehr gewöhnliche Frauen. „Frech wie ein Fischweib“ sagte Ben Tipton über seine Frau Minna Tipton im „kleinen Lord“, als er sie enttarnte.

Aber erst, seit ich das Buch „Demokratie. Eine deutsche Affäre“ von Hedwig Richter las, weiß ich, dass es die Fischweiber zu Zeiten der Französischen Revolution wirklich gab. Sie waren Marktfrauen ‚aus den Pariser Arbeitervierteln, die nach Versailles zogen, um die Senkung der Brotpreise zu fordern‘.

Doch nicht nur diese Damen hatte Richter im Blick, als sie über die Demokratiegeschichte in Deutschland vom 18. Jahrhundert bis heute schrieb. Sie schaute auf Frauen in allen Epochen und zwar sowohl auf die, deren Leben Richter in ihrem Buch nachzeichnete und einordnete, als auch auf die, deren Forschung sie dabei heranzog. Noch nie ist es mir so aufgefallen, dass Frauen ganz selbstverständlich genannt und beteiligt waren und zwar ohne jedes Tamtam. Es las sich ganz anders als sonst.

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Aus dem Fenster und ins Internet geguckt

Das war’s, was ich heute den ganzen Nachmittag gemacht habe: Aus dem Fenster und ins Internet geguckt. Es war so herrlich wenig los, außerdem träumte ich vom Geschmack meiner ersten Virgin Colada, die ich zum Mittagessen trank. Wäre das nicht in der großen Stadt nebenan gewesen, ich hätte später noch eine genommen. Jetzt beginnt langsam die blaue Stunde. Damit ich trotzdem beschäftigt bin, verblogge ich endlich die gelesenen und gehörten Bücher der letzten Monate:

Martensteins „Jeder lügt, so gut er kann“ (Komma von mir) las ich bereits im Oktober. martenAber das macht nichts, weil ich mir ein paar Marker ins Buch geklebt hatte. Den Anfang fand ich schleppend, danach war es martensteinig wie immer: Lustig, ein bisschen böse und oft sehr klug. Die Geschichte über die Busfahrt des Zehnjährigen ist auf beklemmende Weise berührend. So muss man Ambivalenzen erst einmal beschreiben können. Oder wie es ist, wenn Kinder groß werden und welches Bild von ihnen in den Köpfen der Eltern weiterlebt. Das so schnörkellos in einer Zeitungskolumne in Worte zu fassen, empfinde ich als Kunst. Und die mag ich besonders gern, wenn ich sie irgendwo im Alltag finde.

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Frau Junas Buch

Frau Juna im Museum zu besuchen, ist immer sehr schön. Es gibt Tee, dazu Schokolade und Frau Juna hat ganz warme Hände. Im Mai bin ich das letzte Mal dort gewesen. Kaum vorher hatte die Zeitung mit den großen Buchstaben verraten, dass Frau Juna an einem Buch schreibt. Sie selbst war da gerade in der Findungsphase: Was soll es werden, wie soll es werden und wird es überhaupt etwas werden?

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„Na ja“, sagte ich zu ihr. „Etwas werden sollte es auf jeden Fall. Das Erscheinungsdatum steht mittlerweile fest und sogar das Gewicht: 159 g.“
Ich reichte ihr mein iPad mini, auf dem ich die Seite mit den entsprechenden Informationen aufgerufen hatte. Frau Juna bekam tatsächlich einen leichten Grünstich um die Nase.

Doch genug aus dem Nähkästchen geplaudert. Das Buch ist da, sogar einen Monat eher als erwartet. Hier sind die Verlagsankündigung mit einem Video und die ersten Termine ihrer Lesungen. „Schonzeit vorbei. Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus“ lautet der Titel. Ein wichtiges Thema, ein ernstes Thema, ein dringendes Thema, das gerade deswegen nicht einfach zu beschreiben war. Umso mehr freue ich mich, dass es gelungen ist, dass es etwas geworden ist oder wie Frau Juna selbst es sagt: „So, nu isses raus. Das Buch. Mein Buch.“ Masel tov, meine Liebe!

Lesen und Essen

Eigentlich hatte ja alles im Frühjahr beim Grillen angefangen, gelb.jpgdoch dann war so viel zu tun, dass ich Wolf Lotters knallgelbes Buch „Innovation. Streitschrift für barrierefreies Denken“ erst jetzt beim Urlaubsfrühstück zu Ende las. Geschrieben hatte er es, um darüber nachzudenken, wie wir von der Industriegesellschaft und ihren Problemlösungs- und Organisationsstrategien zur Wissensgesellschaft gelangen. Natürlich nicht einfach so, sondern mit Absicht: „Jeder Fortschritt besteht aber in Verbesserungen und nicht allein im Anspruch darauf, etwas ‚anders‘ zu machen. Das ist kein Wert an sich.“ Wie Lotter sich das vorstellt, leitet er historisch, oft von verblüffenden Beispielen und im Einst-Jetzt-Schema, z.B. unterschiedlicher Innovatorentypen, ab. Auf die Idee, Differenzierung und Motivation anhand der Speisegewohnheiten von Veganern zu erklären, muss man erst einmal kommen. Dass Innovation keine Aufgabe der Jungen ist, sondern als Anspruch in jedem Alter und Erfahrungshintergrund gilt, traf bei mir einen wunden Punkt, um so mehr fühlte ich mich von Lotters Buch zum Denken eingeladen. Dabei fiel es mir beim Lesen zunehmend schwer, mich zu konzentrieren, immer wieder schweiften die Gedanken Richtung Kirche und Gemeindeaufbau ab, bis ich irgendwann verstand warum. Schon länger hatte ich mich gefragt, was es eigentlich bringt, diese ganzen Bücher zu betrachten, Diskussionen zu führen und Panels zu besuchen. Was bleibt hängen, wenn danach das Leben weitergeht? Die Antwort darauf konnte ich mir bei der Lektüre dieses Buches geben: Immer wieder verknüpfte ich Lotters Thesen mit meinem kirchlichen Erleben und Arbeiten. Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, bei dem ich so wenig behalten und trotzdem so viel verstanden habe. Das hat mich gleich mehrere Schritte weitergebracht. Ich finde das super und die Kirche, nun ja…

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